Schwarzarbeit bleibt ein Massenphänomen

BERLIN. Acht bis elf Millionen Deutsche arbeiten regelmäßig schwarz, im Durchschnitt jeder 6,5 Stunden pro Woche. Und fast jeder Dritte hat im zurückliegenden Jahr selbst als Auftraggeber Arbeiten ohne Rechnung erledigen lassen.

Schwarzarbeit bleibt trotz drastischer Strafen ein Massenphänomen, derzeit sogar mit steigender Tendenz. Für 2007 wird wegen der Mehrwertsteuererhöhung erstmals seit vier Jahren wieder ein Anstieg der illegalen Wertschöpfung um rund vier Milliarden Euro auf 349 Milliarden Euro erwartet. Das sind 14,7 Prozent des Bruttosozialprodukts. Das Kölner Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) und der Linzer Volkswirtschaftler Friedrich Schneider haben diese Daten aus einer Umfrage und aus der Analyse des Bargeldumlaufs ermittelt. Mit 14,7 Prozent Anteil der Schwarzarbeit an der Wertschöpfung liegt Deutschland aber weiter im Mittelfeld der Industrienationen. In Südeuropa werden durchweg 20 Prozent und mehr erreicht, in den angelsächsischen Ländern, der Schweiz, Österreich und den Niederlanden sind es hingegen weniger als zehn Prozent. Ein Grund: Der Anteil der Schwarzarbeit steigt eindeutig mit der Regulierungsdichte eines Landes, wie IW-Forscher Dominik Enste feststellte. In den angelsächsischen Ländern ist die Bürokratie am lockersten. Die Forscher begrüßten daher die Absicht der Bundesregierung, die Bürokratie-Lasten der Unternehmen um 25 Prozent zu verringern. Zwei Drittel der Schwarzarbeiter seien normale Deutsche mit normalen Berufen, sagte Schneider. Alle Einkommensgruppen verdienten sich nebenher dazu, der Fliesenleger genauso wie der Architekt. Schneider räumte ein, dass auch die rückläufige Lohn- und Einkommensentwicklung der vergangenen Jahre neben den hohen Steuern und Abgaben dazu beigetragen habe. Arbeitslose und Rentner stellen 16,5 Prozent der Schwarzarbeiter, illegale Ausländer ebenfalls 16,5 Prozent. Wichtigste Branchen sind nach wie vor die Arbeiten am Haus, Dienstleistungen für Familien, Autoreparaturen, Frisieren und Schönheitspflege sowie die Gastronomie. Unrechtsbewusstsein kaum gestiegen

Das Vorgehen der Bundesregierung gegen die Schwarzarbeit, etwa die Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge oder die steuerliche Absetzbarkeit von haushaltsnahen Dienstleistungen, hatten zwar positive Effekte, doch werden diese mehr als aufgefressen von den Verschlechterungen. Mehrwertsteuererhöhung, Abschaffung der Eigenheimzulage und auch die Reichensteuer locken zum Job ohne Rechnung. Eindringlich warnte Schneider vor einer Abschaffung der Mini-Job-Regelung, die viel Schwarzarbeit legalisiert habe. Trotz aller Kampagnen ist das Unrechtsbewusstsein kaum gewachsen. Nur 3,6 Prozent von 1018 Menschen, die das Forschungsinstitut Emnid befragte, würden Schwarzarbeiter anzeigen, 26 Prozent halten diese Tätigkeit für ein Kavaliersdelikt. Ohne Schwarzarbeit entfiele ein Großteil der Wertschöpfung dieses Bereiches. Die Hälfte der Befragten hätte die Arbeiten dann gar nicht in Auftrag gegeben, 30 Prozent hätten sie selbst erledigt und nur 22 Prozent den offiziellen Weg gesucht. Schwarzarbeit sorgt also durchaus auch für Wachstum und Einkommen, das es unter den herrschenden steuerlichen und bürokratischen Bedingungen sonst nicht gäbe, wie Schneider betonte. Er gab seinem jüngsten Buch deshalb den provokanten Titel "Ein Herz für Schwarzarbeiter".

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