"Sehr engagiert, aber verbesserungsfähig"

TRIER. Der Familienbericht konzentriere sich zu einseitig auf die Vereinbarkeit von Job und Kindern, kritisiert der Deutsche Familienverband. Wir sprachen mit Geschäftsführer Marcus Ostermann.

Können Sie das Bild von Familie, das im Familienbericht gezeichnet wird, nachvollziehen? Ostermann: Es gibt längst verschiedene Modelle von Familie. Es ist falsch, sich auf eines zu konzentrieren. Familie wird in so vielen unterschiedlichen Formen gelebt - und all denen muss man auch gerecht werden. Und das leistet der Familienbericht aus Ihrer Sicht nicht?Ostermann: Er macht zumindest zwei Dinge deutlich: Familien brauchen eine bessere finanzielle Förderung und eine bessere Infrastruktur etwa bei der Betreuung. Der Bericht fokussiert sich vor allem auf die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Andere Familienformen, bei denen nicht beide Eltern arbeiten gehen, werden dadurch völlig ausgeblendet. Sie fordern eine bessere finanzielle Förderung von Familien. Der Bericht macht aber auch deutlich, dass die bisherigen Zuwendungen für Eltern nicht erfolgreich waren. Ostermann: Das ist eine Behauptung, für die der Gegenbeweis fehlt. Ohne die finanziellen Zuwendungen wäre die Geburtenrate in Deutschland wahrscheinlich noch geringer. Es ist auch falsch, über die erfolgreichste Maßnahme zu diskutieren. Wichtig ist vielmehr ein Mix verschiedener finanzieller Förderungen, die es Familien ermöglichen, die vorhandenen Kinderwünsche zu realisieren. Die Sachverständigen behaupten aber, der Kinderwunsch in Deutschland sei drastisch zurückgegangen. Ostermann: Die Erfahrung lehrt uns etwas anderes. Junge Paare haben Familien- und Kinderwünsche. Allerdings besteht zwischen Kinderwunsch und tatsächlich geborenen Kindern eine Diskrepanz. Familienpolitik muss Instrumente bereitstellen, um diese Lücke zu schließen. Wie müssen Familien finanziell unterstützt werden? Ostermann: Wir brauchen dringend eine Weiterentwicklung des Erziehungsgeldes. Die Parteien hatten im Wahlkampf auch versprochen, einen steuerlichen Freibetrag von 8000 Euro pro Kind einzuführen. Derzeit liegen wir bei 5808 Euro. Da ist noch viel Spielraum. All das hätte Signalwirkung für junge Paare. Auch das Elterngeld soll Signalwirkung haben. Doch damit sind Sie nicht so zufrieden. Warum? Ostermann: Es ist gut gemeint. Aber es ist falsch, mit Regelungen in die Privatsphäre der Familien eingreifen zu wollen, Stichwort Vätermonate. Familien müssen selbst entscheiden, wie sie leben wollen. Der entscheidende Fehler beim Elterngeld ist aber, dass es viel zu kurz gezahlt werden soll. Die Elternzeit geht über drei Jahre, das Elterngeld soll aber nur maximal ein Jahr gezahlt werden. Wie bewerten Sie die derzeitige Familienpolitik? Ostermann: Sehr engagiert, in der praktischen Umsetzung aber noch verbesserungsfähig. Das Gespräch führte unser Redakteur Bernd Wientjes

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