"Seine Gegner kann man sich nicht aussuchen"

Der Vorsitzende der Linkspartei ist seit dem letzten Wahlsonntag ein gefragter Gesprächspartner, was ihn sichtlich mit Genugtuung erfüllt.

Berlin. (vet/has) Direkt aus dem Saarland kommend, empfängt Oskar Lafontaine unsere Berliner Korrespondenten Stefan Vetter und Hagen Strauss in seinem Abgeordnetenbüro.

Kürzlich hat Sie jemand eine "Dampfmaschine" genannt. Gefällt Ihnen der Vergleich?

Oskar Lafontaine: Damit war gemeint, dass ich politisch Druck machen kann. Warum soll mir dieses Urteil nicht gefallen?

Nach der Wahl im Saarland haben Sie gegenüber Vertrauten gesagt, denen haben wir das Maul gestopft. Sitzt Ihr Hass auf die SPD so tief?

Lafontaine: Merkwürdig, dass Sie immer das Klischee vom Hass auf die SPD bemühen. Es gab Medien, die uns her unter geschrieben haben, Umfrage-Institute sahen die Linke bei 15 oder 16 Prozent im Saarland. Unternehmer haben uns mit anonymen Anzeigen madig gemacht. Alle waren gemeint, die mit unfairen Mitteln die Linke bekämpft haben. All denen haben wir, mit Verlaub, das Maul gestopft.

Das klingt wie Oskar gegen den Rest der Welt ...

Lafontaine: Seine Gegner kann man sich nicht aussuchen.

Ohne die Linken ist in Zukunft kaum noch ein SPD-Kanzler durchsetzbar. Empfinden Sie darüber Genugtuung?

Lafontaine: Was in den nächsten Jahren im Bund sein wird, muss man abwarten. So lange die SPD sich freiwillig in eine Babylonische Gefangenschaft mit der CDU begibt, hat sie keine Machtperspektive.

Hört sich nicht gerade so an, als würden Sie das bedauern.

Lafontaine: Im Gegenteil, es schmerzt mich, und es ist auch politisch von Nachteil, denn Mehrheiten für eine sozialere Politik erreicht man nur mit einer SPD, die sich wieder auf ihre Grundsätze von Solidarität und Gerechtigkeit besinnt.

Das heißt, SPD und Linke zusammen wären als gesamtdeutsche Volkspartei für Sie eine verlockende Perspektive?

Lafontaine: Wir müssen uns an Realitäten halten. In den Ländern besteht die Möglichkeit, mit der SPD zusammenzuarbeiten, weil die Vorstellungen hier nah beieinander liegen. Auf Bundesebene gibt es keine Grundlage für eine Zusammenarbeit.

Warum nicht?

Lafontaine: Wer den Krieg in Afghanistan befürwortet, wer die Rentenformel zerstört und dafür gesorgt hat, dass ein Niedriglöhner nach 45 Arbeitsjahren genauso viel Rente erhält wie jemand, der nie gearbeitet hat, mit dem kann es keine Zusammenarbeit auf Bundesebene geben.

Was würde eine rot-rot-grüne Regierung im Saarland für den Rest der Republik bedeuten?

Lafontaine: Käme Rot-Rot-Grün zustande, dann hätte das Auswirkungen auf den Bundesrat. Dort wäre das Saarland wieder eine soziale Stimme.

Der Thüringer SPD-Spitzenkandidat Christoph Matschie will sich heute mit Vertretern der Linken zu einem Sondierungsgespräch treffen. Was können die Linken ihm anbieten, um mitzuregieren?

Lafontaine: Dass wir Matschie helfen, sein Programm zu verwirklichen. Das ist das Entscheidende. Die Forderungen der SPD nach einem gesetzlichen Mindestlohn, gerechten Steuern oder Verbesserungen bei Hartz IV kann Matschie nur mit uns im Bundesrat durchsetzen. Aber die Thüringer SPD hat offenbar ihre Wahlversprechen vergessen.

Weil sie auf den Posten des Ministerpräsidenten beharrt?

Lafontaine: Es gibt Spielregeln, an die sich alle zu halten haben. Die SPD hat weniger Stimmen als die Linke bekommen. Also kann sie auch nicht den Ministerpräsidenten stellen.

Und wir dachten immer, Ihnen gehe es um einen Politikwechsel und nicht ums Personal.

Lafontaine: Die Frage müssen sie an Herrn Matschie richten. Es ist absurd, dass er glaubt, die parlamentarischen Spielregeln außer Kraft setzen zu können, und dass ihm der versprochene Politikwechsel nicht wichtig ist.

Offenbar stehen die Signale aber jetzt auf Große Koalition, nachdem Althaus zurückgetreten ist.

Lafontaine: Das ist möglich, aber das hieße, dass die SPD wieder ihre Wahlversprechen bricht.

Welche Chancen rechnen Sie sich für die Bundestagswahl aus?

Lafontaine: Durch die Ergebnisse in Thüringen und an der Saar haben wir die Chancen am 27. September verbessert. Zehn Prozent plus X sind drin.

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