"Sie kommt gut weg dabei"

BERLIN. Ausgerechnet SPD-Vizekanzler Franz Müntefering hat gestern in Berlin die Rede bei der Präsentation eines Buchs mit Karikaturen über CDU-Kanzlerin Angela Merkel gehalten. Der Band enthält ausschließlich Zeichnungen von TV-Karikaturist Jürgen Tomicek.

Ein Karikaturenbuch über Helmut Kohl zu präsentieren, wäre Vizekanzler Hans-Dietrich Genscher wohl nicht in den Sinn gekommen. Zu böse waren die Birne-Assoziationen, auf die sich die Zeichner damals verständigt hatten. Auch Joschka Fischer hätte seine Probleme gehabt, bei so einem Termin aufzutreten, spätestens seit sein Kabinettschef Gerhard Schröder als nassforscher Aufsteiger mit dicker Zigarre porträtiert wurde. Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) sicherte sich denn auch vorher im Kanzleramt ab, ehe er dem nordrhein-westfälischem Künstler Jürgen Tomicek gestern in Berlin zur Präsentation seines Buches mit Angela-Merkel-Karikaturen die Ehre gab - vor auffällig vielen Journalisten, die sich ein paar innerkoalitionäre Spitzen von dem Termin erwarteten. Ganz harmlos: die neue Regierungschefin

Doch das Kanzleramt hatte keine Probleme mit dem Band "Der Kanzlerin", und Müntefering keine Probleme mit dem Termin, zumal der sauerländische Verlag "ad medien" ihn in alter Heimatverbundenheit um seine Teilnahme gebeten hatte. Ganz harmlos sind die gezeichneten Kommentare Tomiceks über die neue Regierungschefin. Ein wenig hängende Augen- und Backenpartien sind vom früheren Image geblieben, doch wirkt die Kanzlerin seltsam unauffällig auf allen Bildern. Tomicek trifft sie, aber nur im oberflächlichen Sinne. Seit dem Wahlkampf kommt Merkel innerlich wie äußerlich geglättet daher, jedenfalls so, dass Tomicek wie viele andere Karikaturisten die alten Angriffspunkte nicht mehr nutzen kann. Und neue haben sie offenbar noch nicht gefunden. "Ich bin sicher, die Bilder werden ihr gefallen, sie kommt gut weg dabei", kommentierte Müntefering die Darstellungen, die in vielen Zeitungen erschienen sind. Nur sich selbst fand Müntefering "ein bisschen alt" auf den Zeichnungen, was eine gewisse Empfindlichkeit beweist. Der Mann erreicht heute immerhin das von ihm selbst verordnete neue Rentenalter von 67 Jahren. Müntefering geht mit Karikaturen so um: "Entweder sie gefallen mir, dann gucke ich sie länger an. Oder nicht, dann lege ich sie gleich weg". Eine Karikatur sei wie ein Witz. Der müsse sofort sitzen. Und er bewundere, wenn die Künstler das schafften. Am besten karikiert Tomicek den CSU-Chef Edmund Stoiber, der auf vielen seiner Zeichnungen mit Merkel eine Rolle spielt, oft sogar die Hauptrolle. Ein bisschen wie Wilhelm Buschs Lehrer Lämpel sieht der bayerische Ministerpräsident da aus, spitze, hakige Nase, hager und leicht verschlagen. Und weil Stoiber nun einmal Tagesthema war, nahm Müntefering statt der Kanzlerin lieber den Münchener in seiner launigen Ansprache aufs Korn. Tomiceks Bild etwa, auf dem zu sehen ist, wie Stoiber die Gesundheitsreform aufhält, sei "wohl ein bisschen von gestern", und die Darstellung Stoibers als Löwe habe sich auch als "historischer Irrtum" herausgestellt. Diese Zeichnungen hielt Müntefering lächelnd in die Kamera. Politik ist gnadenlos und da muss, wer den Schaden hat, sich um den Spott nicht sorgen. Jedenfalls nicht in Berlin.

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