Sie sind dann mal weg

Männlich, ledig, kinderlos: Die meisten Deutschen, die ihrem Heimatland den Rücken kehren, sind gut ausgebildet. Das belegt nun eine Studie, die das Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegeben hat.

Berlin. Deutschland geht verschwenderisch mit seinen Fachkräften um. Viele Frauen beenden nach hervorragender Ausbildung ihre Berufskarriere vorzeitig - wegen der Kinder. Dagegen sollen Elterngeld und Krippenausbau helfen. Und etliche hoch qualifizierte Männer wandern ins Ausland ab, wo mehr verdient wird und die Aufstiegschancen größer sind. Was kann diesen "Brain-Drain", den Wissensschwund, stoppen? Nur Steuersenkungen und weniger Bürokratie, meint das Wirtschaftsministerium von Michael Glos (CSU).161 000 Bundesbürger suchten 2007 ihr Heil jenseits der Grenzen. Zwar wandern auch viele zurück, doch ist die Nettobilanz mit minus 50 000 negativ. Vor allem bei den Hochqualifizierten. Die Prognos AG befragte im Auftrag von Wirtschaftminister Glos 1410 ausgewanderte, sehr gut ausgebildete Deutsche nach ihren Motiven. Auffallend: 63 Prozent von ihnen sind männlich, die meisten im Alter von 30 bis 39 Jahren, ledig und kinderlos. Fast ein Viertel übt Berufe in den hierzulande personell besonders ausgedünnten Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik aus. Hauptmotiv der Abwanderung sind demnach die besseren Aufstiegs- und Einkommensperspektiven im Ausland. Die Flexibilität muss zunehmen

Das gaben 68 Prozent der Befragten als Grund an. 40 Prozent nannten direkt die Steuer- und Abgabenlast in Deutschland. Bei den Wissenschaftlern überwiegt als Motiv die schlechte Besoldung an den Hochschulen, verbunden mit den geringen Freiräumen, die die Universitäten jungen Akademikern bieten. Dazu gehören die Bürokratie bei der Beantragung von Forschungsmitteln sowie die komplizierte Selbstverwaltung. Mediziner stören sich an der starren Hierarchie in hiesigen Kliniken, etwa dem strikten Chef- und Oberarzt-Prinzip. Wirtschaftsstaatsekretär Walther Otremba sagte, die Hochschulen müssten noch mehr Autonomie bekommen, um Leistungsträger halten zu können. Generell müsse die Flexibilität zunehmen. Zugleich erneuerte er die Forderung seines Ministers, die Steuern und Abgaben zu senken, insbesondere etwas gegen die "kalte Progression" im Steuerrecht zu tun. Ob das die Ausgewanderten zurückholt, muss als fraglich gelten. Nur etwas mehr als die Hälfte von ihnen denkt laut der Studie überhaupt an eine Heimreise. 96 Prozent sagen, ihre Erwartungen an das Gastland hätten sich erfüllt. Während vor der Ausreise nur 55 Prozent mit ihren Lebensverhältnissen insgesamt zufrieden waren, sind es nach der Ausreise 84 Prozent. Wer einmal weggegangen ist, bleibt also weg. Wichtigste Zielländer der abwandernden Wissenschaftler und Techniker sind die USA (19 Prozent), Großbritannien (13 Prozent), die Schweiz (10 Prozent) und Kanada (acht Prozent). Besonders große Probleme hat der öffentliche Dienst, wie Otremba sagte. Das starre Recht hier sorgt schon jetzt dafür, dass die Verwaltungen kaum noch Informationstechniker finden.

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