Siegreicher Dickkopf

WINNENDEN. Die Nummern kennt jedes Kind: 110 für die Polizei und 112 für die Feuerwehr. Vor 30 Jahren wurde die bundesweite Einführung der Notrufnummern beschlossen. Auf Druck von Siegfried Steiger, dessen Sohn nach einem Unfall starb, weil zu spät Hilfe kam.

Ob in der Innenstadt oder im tiefsten Wald: Wenn schnelle Hilfe gebraucht wird, hat man mit der 110 und der 112 sofort die Feuerwehr oder die Polizei an der Strippe. Es ist fast schon eine Selbstverständlichkeit, dass diese Notrufnummern kostenfrei und flächendeckend verfügbar sind. Dass der damalige Kanzler Willy Brandt und die Ministerpräsidenten der Länder am 20. September 1973 die bundesweite Einführung der Notrufnummern beschlossen, ist vor allem dem beharrlichen Einsatz der Björn-Steiger-Stiftung, insbesondere dessen Gründer, Siegfried Steiger, zu verdanken. Am 3. Mai 1969 starb Björn Steiger an den Folgen eines Unfalls, nachdem es eine Stunde gedauert hatte, bis Helfer vor Ort waren. Im selben Jahr gründete sein Vater Siegfried die Stiftung, deren zentrale Forderung die bundesweite Einführung der Notrufnummern war. "Damals gab es die Kurzrufnummern 110 und 112 nur in wenigen Ballungsräumen", sagt Steiger rückblickend. In ländlichen Gebieten mussten Ortsfremde erst im Telefonbuch nachschlagen - eine oft lebensgefährliche Zeitverzögerung. Die Stiftung schrieb mehr als 6000 Briefe an Abgeordnete, Minister und Oberpostdirektionen und verklagte das Land Baden-Württemberg sowie den Bund. Die Klage wurde zwar abgelehnt, doch die Stiftung hatte damit für Wirbel gesorgt. Am 20. September 1973 klingelte bei Siegfried Steiger das Telefon. Am anderen Ende der Leitung: Horst Ehmke, der im Kabinett Willy Brandts für das Post- und Fernmeldewesen zuständig war: "Ich kommen gerade von einem Gespräch mit dem Bundeskanzler. Wir haben den Notruf beschlossen. Ihr Dickkopf hat sich durchgesetzt." Bis 1978 dauerte es, bis der Notruf tatsächlich bundesweit eingeführt war. Für die Stiftung stellten sich neue Aufgaben: Sie setzte unter anderem den kostenlosen Notruf von Telefonzellen durch. Derzeit kämpft die Björn-Steiger-Stiftung erneut für eine Neu-Orientierung bei den Notrufstrukturen. Denn das Handy bringt auch Nachteile: "Notrufe landen nicht automatisch bei der nächsten Leitstelle", so die Stiftung, "und viele Anrufer können ihren Standort nicht genau benennen."

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