Sklavenhaltermethoden mitten in der belgischen Hauptstadt

Brüssel · In Abwesenheit wird fünf Prinzessinnen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten der Prozess gemacht, weil sie ihre Dienerschaft misshandelt haben sollen

 Eines der Opfer (r) im Prozess gegen acht arabische Prinzessinnen kommt am 11.05.2017 in Brüssel (Belgien) in den Gerichtssaal.

Eines der Opfer (r) im Prozess gegen acht arabische Prinzessinnen kommt am 11.05.2017 in Brüssel (Belgien) in den Gerichtssaal.

Foto: Dirk Waem (BELGA)

Offenbar ist sie in der belgischen Gesellschaft angekommen. Mit ihren schwarz lackierten Fingernägeln, den blondierten Haaren und der westlichen Kleidung hebt sich die etwa 40-Jährige Tunesierin kaum ab von vielen anderen Migranten aus Nordafrika hier in Brüssel. Sie habe Angst, ihre Aussage zu machen, flüstert sie ihrer Anwältin zu. Vermutlich ist ihr bewusst, dass sie sich nicht so gewählt ausdrücken kann.

Zwei Stunden hat sie ruhig in der ersten Reihe von Saal 4 im Tiefparterre des surrealen Brüsseler Justizpalastes gesessen. Eingeklemmt zwischen den fünf Anwälten der fünf Prinzessinnen und den sieben Anwälten, die die Interessen von ihr und den anderen zehn Opfern in diesem Fall moderner Sklaverei vertreten. Nur sie und eine weitere ehemalige Kollegin sind so mutig, vor Gericht auszusagen. Es soll Repressionen gegeben haben bis hin zu ihrer Familie in Tunesien.

Jetzt ist sie an der Reihe: Sie schildert, wie sie von der Familie eines Emirs aus den Vereinigten Arabischen Emiraten erst als Hausangestellte angeheuert wurde, dann aber bald wie eine "Sache" behandelt wurde. Woran man das erkannte? "Ihr Schlaf", so die Frau, "war gleichbedeutend mit unserem Schlaf". Nachts habe sie auf einer dünnen Matratze auf dem Boden vor der Zimmertür ausharren müssen, immer auf Abruf bereit, wenn die Herrschaft ein Glas Wasser wollte. Oder eine Massage. Letzteres konnte auch zwei Mal kurz hinter einander mitten in der Nacht vorkommen. Sie sei beschimpft und beleidigt worden: "Hund, Kuh, Hure." Sie habe keinen Anspruch auf Freizeit oder Urlaub gehabt, der Pass war ihr abgenommen worden. Und Lohn? Den habe sie auch nicht bekommen.

Sicherheitspersonal der Familie passte auf, dass keiner der Hausangestellten entwischen konnte. Als eine Kollegin es dennoch versuchte, sei sie drei Tage lang, ohne etwas zu Essen zu bekommen, in einem Zimmer eingesperrt worden.
Der Fall war im Juli 2008 ins Rollen gekommen, als ein Opfer flüchtete und sich den Behörden offenbarte. Früh morgens fand dann eine Razzia im Brüsseler Luxushotel "Conrad" statt, wo die Familie des Scheichs über Monate die ganze vierte Etage mit einer Flucht von über hundert Zimmern gemietet hatte. Eine der Töchter der Familie konnte keinen Nachwuchs bekommen und befand sich für die Fruchtbarkeitsbehandlung in der belgischen Hauptstadt.
Nach Überzeugung von Menschenrechtsorganisationen handelt es sich bei den Misshandlungen, die im Zuge der Ermittlungen entlarvt wurden, nicht um einen Einzelfall. Human Rights Watch spricht davon, dass Hausangestellte in den Emiraten so gut wie keinerlei Rechte haben.

Die Prinzessinnen konnten Belgien damals unbehelligt verlassen. Eine Kaution wurde nicht verlangt. Erst acht Jahre später wird ihnen nun in Brüssel der Strafprozess gemacht. Keine von ihnen ist vor Gericht erschienen. Ihre Anwälte haben vergeblich versucht, mit allerlei Verfahrenstricks die Eröffnung des Prozesses zu verhindern. Auf das Delikt, sklavenartige Beschäftigung, steht in Belgien eine Strafe von bis zu fünf Jahren Haft.

Die Anwälte der Opfer gehen aber eher davon aus, dass eine saftige Geldstrafe verhängt wird. Hinzu kommen zivilrechtliche Forderungen der Opfer. Allein die Anwältin der Tunesierin fordert für ihre Mandantin eine Entschädigung von 467.632 Euro. Damit sollen der Lohnausfall, die körperlichen und seelischen Qualen abgegolten werden, die die Adeligen ihr zwischen 2005 und 2008 zugefügt haben. Da insgesamt elf Geschädigte ihre Ansprüche geltend machen, und die belgische Sozialversicherung bereits 157.000 Euro an geschuldeten Beiträgen geltend gemacht hat, kann die Strafe wohl selbst für Prinzessinnen aus tausend und einer Nacht richtig ins Geld gehen. Mit einem Urteil wird etwa in einem Monat gerechnet.

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