Sonnenseiten und Skandale

2008 war "das Jahr danach" in der Region. Das Jahr nach der geplatzten Sparkassenfusion, das Jahr nach der Kulturhauptstadt in der Großregion, das Jahr nach dem OB-Wechsel in Trier, das Jahr nach dem Bischofs-Abgang, das Jahr nach dem HWK-Skandal. Wer große Neuentwicklungen erwartet hatte, sah sich freilich getäuscht. Vieles blieb in Ansätzen stecken, manch hochfliegende Pläne wurden schmerzlich gestutzt. Und doch blieb die Region unterm Strich zumindest wirtschaftlich auf der Sonnenseite - dank der Luxemburger Nachbarschaft.

Z u Jahresbeginn war die Stimmung sogar fast euphorisch: Prognostiziert wurden zusätzliche Arbeitsplätze und steigende Umsätze, vor allem im Handwerk, vor allem dank Luxemburg. Das Frühjahr brachte die niedrigsten Arbeitslosenzahlen in der Region seit Anfang der Neunziger Jahre - und in einzelnen Kreisen nahezu Vollbeschäftigung. Der Job-Kahlschlag bei der Trierer Telekom konnte abgewendet werden. Zum Jahresende gab es freilich auch ein paar Wermutstropfen, als die Auto-Krise zunehmend auch Zulieferer aus der Region erwischte. Aber weil das Luxemburger Finanzkrisen-Management ebenso professionell wie unauffällig funktionierte, blieben größere Verwerfungen aus. Doch der relative Wohlstand der Region Trier, so viel ist deutlich geworden, hängt mehr denn je am Luxemburger Tropf.

G ar auf der Intensivstation landete unversehens die Trierer Handwerkskammer. Der Sog des Skandals um frisierte Abrechnungen im Umweltzentrum war so stark, dass er Hauptgeschäftsführer Hans-Hermann Kocks und seine rechte Hand Josef Adams mit in den Strudel riss. Es war ein trauriger Abgang auf Raten, bei dem die mächtige HWK zeitweise fast hilflos zu trudeln schien. Unerwünschte Nebenwirkung: Eine Fusion mit der Kammer in Koblenz scheint inzwischen unabwendbar.

D ass man mit einem Machtvakuum auch ganz anders umgehen kann, dokumentierte die katholische Kirche. Mitten in einer keineswegs unumstrittenen Groß-Reform beförderte man Reinhard Marx in erzbischöfliche Gefilde nach München, und legte dann - statt den Chef-Sessel im Bistum Trier zügig wieder zu besetzen - in aller Seelenruhe ein Sabbat-Jahr ein. Bei Kirchens gehen die Uhren einfach anders. Und wer der neue Oberhirte wird, weiß auch zu Silvester nach Lage der Dinge nur der Papst allein.

G eht es nach dem Mainzer Innenministerium, sollen sich die kommunalen Gebietskörperschaften auf mehr Zusammenarbeit einstellen. In der Region Trier feierte hingegen der Lokal-Separatismus fröhliche Urständ. Nach dem Debakel mit der Fusion der Sparkassen Trier und Bitburg-Prüm 2007 ging in diesem Jahr der Zusammenschluss der Sparkassen Bitburg-Prüm und Daun achtkantig in die Hose. Mit der zur Schadenfreude anregenden Konstellation, dass die Bitburger, die als Juniorpartner die Fusion mit Trier in letzter Minute gesprengt hatten, diesmal als Seniorpartner gegenüber einem renitenten kleineren Kompagnon das Nachsehen hatten.

A uch nicht gerade ermutigend für die regionale Zusammenarbeit: Die Massenflucht der potenziellen Teilhaber am Flugplatz-Projekt in Bitburg. Seit sich abgezeichnet hatte, dass entgegen manchen Erwartungen die notwendigen Genehmigungen doch erteilt würden, hatten sich schleichend immer mehr wackere Aktivisten des Projekts in die Büsche geschlagen. Die Aussicht, der langjährigen verbalen Unterstützung für das Renommier-Projekt jetzt auch reale Zahlungen in ein Fass ohne Boden folgen zu lassen, trieb am Ende nach den Kammern und den kommunalen Anrainern sogar den eigenen Eifelkreis-Landrat in die Flucht. Er kann sich Vernunft leisten, denn er tritt 2009 nicht mehr zur Wiederwahl an. Eine CDU-Niederlage bei der Neuwahl ist das einzige, was dem allgewaltigen Christdemokraten Michael Billen noch fehlt: Dann hat er alle Bastionen seiner Partei versenkt.

V ersenkt hat die Stadt Trier bis auf weiteres die Antikenfestspiele. Einer arg verspäteten Planung und einem ungeliebten Programm folgte eine blitzartige Absage der Auflage 2009. Dabei war das Festival in den letzten beiden Spielzeiten gut gelaufen, aber die Verantwortlichen hatten versäumt, mit dem Schwung der Erfolge die notwendige Sicherung der Infrastruktur und der langfristigen Planungen einzuleiten. Da ließe sich in der Region einiges lernen. Zum Beispiel vom Mini-Betrieb Eifel-Literaturfestival, das mit einem Bruchteil des Budgets 2008 genau so viele Zuschauer lockte wie der große Bruder in Trier - weil Macher Josef Zierden auf klangvolle Namen setzte. Oder vom Mosel Musikfestival, dessen zu Saisonbeginn etablierter neuer Name das überregionale Ansehen unterstreicht, das Hermann Lewen und seine kleine Crew über zwei Jahrzehnte mit ihrer klaren konzeptionellen Linie erworben haben. In Sachen regionale Kultur stehen die Leuchttürme unübersehbar zurzeit auf dem Land.

V om grenzüberschreitenden Schwung der Kulturhauptstadt ist nach zwölf Monaten nicht mehr viel geblieben. Sie tanzten nur einen Sommer lang, die Kulturmacher zwischen Luxemburg, St. Vith, Trier, Metz und Saarbrücken. Danach hielten der bürokratische Alltag und die Bräsigkeit der großregionalen Institutionen wieder Einzug. Immerhin nahm jetzt nach zwölf Monaten Sendepause der Nachfolge-Verein der einstigen Kulturhauptstadt-Träger seine Arbeit auf - spät, aber hoffentlich nicht zu spät. Sonst bliebe "Luxemburg und Großregion 2007" eine verpasste Chance.

A ls wahrgenommene Chance der Region gilt seit Jahren der Flughafen Hahn. Job-Motor, Anschluss an die große Welt, beliebtester Aeroport für alle Reisewilligen zwischen Thalfang, Trier, Wittlich und Manderscheid: An Superlativen hat es nie gefehlt, wohl aber an den notwendigen Einnahmen, um auf Dauer profitabel arbeiten zu können. Jetzt will man zwecks Rentabilität eigene Gebühren erheben, prompt droht Billigflieger Ryanair damit, den Hahn zu rupfen. Die Iren sind es offenbar europaweit gewohnt, dass der Steuerzahler Flughäfen subventioniert, damit Ryanair dort konkurrenzlos billig fliegen und landen kann. Ein irres Geschäftsmodell.

D ie Jahresend-Turbulenzen über dem Hahn trüben auch ein wenig die gute Nachricht für alle, die in der Verkehrsinfrastruktur das entscheidende Entwicklungs-Instrument für die Region sehen: Die Realisierung des Hochmoselübergangs ist nur noch eine Frage der Zeit und nicht mehr des Geldes und des Rechts. 270 Millionen Euro, so verkündeten Bund und Land feierlich, werde man dafür in die Hand nehmen. Fast am gleichen Tag kam übrigens die Meldung, die Bahn werde ihre Auskunft am Trierer Hauptbahnhof, die einzige verbliebene in der Region, schließen. Man könne sich, so hieß es, diese Service-Leistung nicht mehr leisten.

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