Sozialreformen: Warnung an Rebellen

BERLIN. (vet) Bei den Sozialdemokraten rumort es heftig: Fraktions-Chef Müntefering schimpft auf die "Abweichler". Ein Kompromiss der Parteilinken könnte den Riss aber kitten.

Die SPD-Spitze hat einen weiteren Versuch unternommen, um deninnerparteilichen Widerstand gegen die geplanten Sozialreformenzu brechen. Die Partei müsse sich mit der Wirklichkeitauseinandersetzen und "nicht das Wünschbare für die Wirklichkeit"halten, grollte Bundeskanzler Gerhard Schröder. Zugleich wurdedie Bereitschaft zu Kompromissen erkennbar. Die "ParlamentarischeLinke" in der SPD betätigte sich derweil als "Brückenbauer". "Vor Ostern noch ein paar Zeilen zu den jüngsten Entwicklungen", heißt es in einem Brief, den Fraktions-Chef Franz Müntefering an alle SPD-Bundestagsabgeordneten verschickt hatte. Der Spitzengenosse beklagt sich darin über das angezettelte Mitgliederbegehren zur Verhinderung der Reform-Agenda. Zu den Unterzeichnern der Initiative gehören zwölf Bundestagsabgeordnete. Müntefering wirft ihnen vor, sie hätten die Partei in eine "schwierige Situation" manövriert.

Blockade der Koalition bis Herbst möglich

Sollten die SPD-Rebellen, auf deren Seite auch der ehemalige Parteichef Oskar Lafontaine steht, die nötigen Stimmen (rund 70 000) für das Mitgliederbegehren bekommen, wäre die Koalition bis zum Herbst in ihren Entscheidungen blockiert. Die Basis-Befragung kann bis zu einem halben Jahr dauern. Um solche Szenarien abzuwenden, will Müntefering bereits am 26. und 27. Mai auf einer Fraktionsklausur die Fronten in seinem Sinne klären. Der dem TV vorliegende Brief enthält deshalb auch versöhnliche Töne. Da trifft es sich gut, dass die "Parlamentarische Linke" (PL) - ein Zusammenschluss von mehr als 100 der 251 SPD-Abgeordneten - bereits in diesem Sinne aktiv geworden ist. Sie übersandte dem Bundeskanzler ein Kompromisspapier, das auch den zwölf Fraktionsabweichlern entgegen kommt.

Jetzt hängt viel davon ab, wie der Kanzler auf das Friedensangebot der PL reagiert. Darin werden die Reformvorschläge beim Arbeitslosengeld und der Krankenversicherung zum Teil abgemildert. Am Mitgliederbegehren wollen die Abweichler dennoch festhalten. "Das ist keine Initiative der Fraktion, sondern der Partei", wies der saarländische Abgeordnete Ottmar Schreiner gegenüber dem TV die Vorwürfe Münteferings zurück. Bei dem Kompromiss komme es auf die "genauen Formulierungen" an. Die Debatte darüber dürfte nach Ostern entbrennen.

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