Sozialverband schlägt vor: Wenig Lohn, mehr Rente

Sozialforscher haben das Problem schon länger im Visier: Wer wenig verdient, hat praktisch keine Chance auf ein auskömmliches Einkommen im Alter. Gestern legte der Sozialverband Deutschland (SoVD) ein Konzept vor, das auch Niedriglöhner und Langzeitarbeitslose vor Altersarmut schützen soll. Die zusätzlichen Kosten würden sich auf mindestens eine Milliarde Euro belaufen.

Berlin. Der Trend lässt sich auch durch die kürzlich beschlossene "Rentengarantie" nicht mehr umkehren. Durch die zahlreichen Rentenreformen der vergangenen Jahre nimmt das Rentenniveau stetig ab. 2004 betrug es immerhin noch 53 Prozent gemessen am Lohnniveau. Im Jahr 2030 werden es nur noch 43 Prozent sein. Niedriglöhner und Langzeitarbeitslose haben dabei besonders schlechte Karten. Für eine private Zusatzvorsorge fehlt das Geld, und ein sehr geringer Rentenanspruch ist praktisch ohne Nutzen, weil die gesetzliche Rente voll auf die staatliche Grundsicherung angerechnet wird.

Im Jahr 2007 bezogen rund 750 000 Menschen eine Grundsicherung im Alter, davon 500 000 zusätzlich zu ihrer Rente. Das waren 5,9 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Ursache dieser Entwicklung ist der rapide anwachsende Niedriglohnsektor in Deutschland. Nach Angaben des Instituts für Arbeit und Qualifikation (IAQ) verdienten 1995 nur 15 Prozent der Beschäftigten weniger als zwei Drittel des mittleren Stundenlohns. 2006 waren es bereits 22 Prozent. Das ist fast jeder vierte Beschäftigte. Zur Veranschaulichung des Armutsrisikos im Alter hat die Arbeitnehmerkammer Bremen in einer Modellrechnung ermittelt, dass ein Vollzeitbeschäftigter 45 Jahre lang mindestens 9,47 Euro brutto pro Stunde verdienen müsste, um auf eine Rente in Höhe der Grundsicherung zu kommen, die Bedürftige über 65 vom Staat erhalten - gegenwärtig sind das 676 Euro im Monat. Tatsächlich verdienten Niedriglöhner im Westen 2006 laut IAQ durchschnittlich aber nur 6,89 Euro in der Stunde, im Osten waren es lediglich 4,86 Euro.

Wahlprogramme bieten kaum Vorschläge gegen Altersarmut



"Minilöhne führen zu Minirenten", erklärte der Präsident des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Adolf Bauer. Mit der Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns würde das Risiko der Altersarmut beträchtlich entschärft. Zugleich schlug Bauer einen gestaffelten Rentenfreibetrag vor. Dadurch könnte der Betroffene einen Teil seiner gesetzlich erworbenen Rentenansprüche zusätzlich zur Grundsicherung im Alter bekommen. Jeder Rentenbeitrag, und sei er noch so gering, würde dann automatisch zu einem Alterseinkommen oberhalb der Sozialhilfegrenze führen. Im konkreten Fall sollen bis zu 175 Euro der gesetzlichen Rente nicht mit der Grundsicherung verrechnet werden dürfen. Wer also im Rentenalter zum Beispiel eine Grundsicherung von 625 Euro erhält und gleichzeitig über einen Rentenanspruch von 300 Euro verfügt, dem bleiben nach dem SoVD-Konzept insgesamt 800 Euro übrig. Nach jetziger Rechtslage wären es nur 625 Euro, weil die Rente von 300 Euro komplett verrechnet wird.

Darüber hinaus regt der Verband an, den von den Arbeitsagenturen zu tragenden Rentenversicherungsbeitrag für Hartz-IV-Empfänger von 40 auf 250 Euro im Monat aufzustocken. Entsprechend deutlich höher wäre ihre Rente. Für ein Jahr Arbeitslosengeld II beträgt der monatliche Rentenanspruch derzeit nur 2,17 Euro.

Die Kosten des Konzepts konnte Bauer nicht genau beziffern. Wenn jeder Grundsicherungsempfänger mit einem Rentenanspruch den Freibetrag von 175 Euro ausschöpfen würde, kämen auf die Steuerzahler aber schon Kosten von über einer Milliarde Euro zu. Durch eine Aufstockung der Rentenversicherungsbeiträge könnte sich diese Summe vervielfachen.

Übrigens: Auch in den Wahlprogrammen der Bundestagsparteien wird die Altersarmut thematisiert. Praktikable Lösungen finden sich allerdings kaum darin.

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