Spielecke in Mamas Büro

BERLIN. (vet) Das nordbayerische Familienunternehmen Möhringer bietet seinen Angestellten schon seit 1999 Kinderbetreuungsplätze an. Die Kosten teilen sich der Anlagenbauer, die Kommune und die bayerische Staatsregierung. Ein Beispiel, das nach dem Willen von Angela Merkel (CDU) Schule machen soll. Die Kanzlerin traf sich gestern mit Vertretern von Wirtschaft und Gewerkschaften zum "Familiengipfel".

Auch beim Berliner Optikerfachgeschäft Wittig wird Familienfreundlichkeit groß geschrieben. Was in dem Fünf-Mann-Betrieb mit einer Spielecke für die Kleinsten begann, ist mittlerweile zu einem Ort für die Hausaufgaben-Erledigung der heranwachsenden Kinder des Personals geworden. Eine warme Mahlzeit steht für den Nachwuchs ebenfalls zur Verfügung.150 Millionen Euro vom Bund

Geht es nach Bundeskanzlerin Merkel, dann sollen solche seltenen Beispiele möglichst flächendeckend Schule machen. Zu diesem Zweck traf sich die CDU-Politikerin gestern in ihrem Amtssitz mit Spitzenvertretern von Wirtschaft und Gewerkschaften. Das Ergebnis ist eine dreiseitige Erklärung für "eine familienbewusste Arbeitswelt" mit freiwilligen Selbstverpflichtungen, die von familienfreundlichen Tarifabschlüssen über den Ausbau von Unternehmensnetzwerken bis zur Förderung der betrieblichen Kinderbetreuung reichen. Dazu hat der Bund eine finanzielle Unterstützung von bis zu 150 Millionen Euro aus dem EU-Sozialfonds zugesagt. Merkel nannte das Treffen einen wichtigen Meilenstein, um das Thema Familie zu einem gesamtgesellschaftlichen Anliegen zu machen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf müsse "ein Markenzeichen der deutschen Wirtschaft" werden, assistierte Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU). Der Grundstein für die Initiative wurde bereits in rot-grünen Regierungszeiten gelegt. Im Jahr 2003 rief von der Leyens Amtsvorgängerin Renate Schmidt (SPD) die "Allianz für Familie" ins Leben. Das Bündnis aus Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften vereint inzwischen mehr als 350 lokale Projekte. Seine Idee beruhte weniger auf sozialpolitischen Appellen als vielmehr auf ökonomischen Vorteilen. So hatte die Prognos-AG in einer Studie herausgefunden, dass Firmen, die für Eltern spezielle Wiedereinstiegs-Maßnahmen, flexible Arbeitszeiten und Kinderbetreuungs-Möglichkeiten anbieten, eine Rendite von bis zu 25 Prozent erzielen. Denn auf der anderen Seite würden Kosten etwa für Überbrückung und Fluktuation vermieden. DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun, der die "Allianz" 2003 mit aus der Taufe gehoben hatte, stellte auch gestern noch einmal klar, dass eine familienorientierte Personalpolitik in den Betrieben ein Schlüssel zur Gewinnung von Fachkräften ist. Von der in der jüngsten Erklärung angeregten "familienbewussten Unternehmenskultur" sind die meisten Betriebe aber noch weit entfernt. Nicht nur, dass Deutschland zu den ganz wenigen Staaten gehört, in denen Betroffene die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf besonders häufig als Ursache für ihre Kinderlosigkeit anführen. Mehr als 40 Prozent der westdeutschen Mütter kehren nach der Elternzeit auch nicht mehr an ihren Arbeitsplatz zurück. Im Osten sind es 22 Prozent. Dabei würden fast zwei Drittel aller Frauen mit Kindern bis zu drei Jahren bei geeigneten Rahmenbedingungen gern wieder arbeiten gehen.Netzwerk unter dem Dach des DIHK

DIHK-Chef Braun setzt seine Hoffnungen auf ein Unternehmensprogramm, das im Rahmen der Allianz-Initiative vor drei Monaten aufgelegt wurde. Es soll Unternehmen Gelegenheit bieten, sich über familienfreundliche Maßnahmen auszutauschen und voneinander zu lernen. Zu den Mitgliedern des Netzwerks zählen heute 300 Betriebe. Bis zum Jahresende sollen es 1000 werden. Dafür wurde gestern ein zentrales Büro am Berliner Sitz des DIHK eingerichtet. Gesetzliche Vorgaben für mehr betriebliches Familienbewusstsein lehnte Braun strikt ab: "Noch nicht alle Unternehmen schwimmen auf dieser Welle, doch das regelt am besten der Wettbewerb".

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