Spur führt nach Luxemburg

LUXEMBURG. Islamisten in Luxemburg sind ins Visier der Fahnder geraten. Denersten Verdacht, dass sich unter ihnen auch Terroristen befinden könnten, gab es bereits im vergangenen Jahr.

Sie waren auffallend: Regelmäßig trafen sich "Männer mit Bärten", wie Augenzeugen berichteten, im Luxemburger Stadtteil Bonneweg. Vielleicht zu auffallend. Am 31. März vergangenen Jahres wurden die Wohnungen der Bartträger, alles Mitglieder der als fundamentalistisch geltenden Islamistenvereinigung ASBL beziehungsweise AML (Association des musulmans du Luxembourg), durchsucht. Grund: Es habe Hinweise auf Bildung einer kriminellen Vereinigung gegeben. Früh morgens an diesem Montag stürmten "schwarz angezogene Männer mit Gesichtsschutz und Maschinenpistolen", wie ein Augenzeuge damals der linken Zeitung "Woxx" berichtete, ein Mehrfamilienhaus.Propaganda für Heiligen Krieg

Die Spezialeinheit der Polizei durchsuchte Wohnungen, beschlagnahmte Computer, Videos ("Videokassetten der Kinder", so der Augenzeuge), und selbst ein Chemie-Schulbuch sollen die Ermittler mitgenommen haben. Insgesamt 18 Wohnungen, das Versammlungslokal und eine Firma wurden damals von 150 Polizisten durchsucht, zwei Tunesier ohne Aufenthaltserlaubnis wurden festgenommen. Es sei, so die Polizei nach der Razzia, jede Menge Propaganda-Material, das zum Djihad, dem Heiligen Krieg, aufrufe, sichergestellt worden. Auf einigen Videos sei Terroristenführer Osama Bin Laden zu sehen gewesen, teilten die Ermittler später mit. Die Polizei-Aktion sorgte vor allem in linken Kreisen in Luxemburg noch länger für Aufruhr. Man warf Polizei und konservativer Regierung vor, ohne Grund gegen die Islamisten vorgegangen zu sein. Die CSV, Partei des Regierungschefs Jean-Claude Junker, verteidigte die Durchsuchungen damit, dass "die Grundpfeiler unserer Gesellschaft nicht durch luxemburgische Ordnungshüter gefährdet (werde), sondern durch religiöse Extremisten, die überall dort Schaden anrichten, wo man sie gewähren lässt…Hunderttausende friedliebende Bürger haben ein Recht darauf, sich auf der Straße ohne Bedrohung zu bewegen und nachts ruhig schlafen zu können." Ansonsten geriet die Aktion schnell wieder in Vergessenheit. Bis gestern. Denn der im Beitrag des Fernsehmagazins "Panorama" gezeigte Tunesier Mohamed Kalifi, der nach Ansicht des Luxemburger Staatsanwalts Robert Biever Drahtzieher möglicher Anschläge auf EU-Gebäude sein soll, wurde damals bei der Aktion in Bonneweg festgenommen und ein paar Tage später zusammen mit seiner schwangeren Frau und seinen drei Kindern nach Tunesien ausgeweisen. Kalifi war Anführer der AML. "Seien Sie froh, dass er nicht mehr im Lande ist", soll Premierminister Junker damals bei der Pressekonferenz gesagt haben. Nach TV -Recherchen nannte sich Kalifi damals auch Taoufik Salimi und war Mitglied der in Tunesien verbotenen radikalen Islamisten-Partei Al Nadha ("Wiedergeburt"). Angeblich hatte Salimi auch die bosnische Staatsbürgerschaft. Nach seiner Abschiebung nach Tunesien, wurde er dort verhaftet und als Mitglied einer im Ausland aktiven Terroristen-Gruppe angeklagt. Seitdem sitzt er im Gefängnis. Immer wieder wurden in Luxemburg von linken Gruppierungen Vorwürfe laut, Salimi sei in Tunesien gefoltert worden. Seit den Durchsuchungen im März vergangenen Jahres laufen die Ermittlungen in Luxemburg. Nun scheint sich Oberstaatsanwalt Biever sicher zu sein, dass es Verbindungen zwischen den luxemburgischen Islamisten und Terroristen gibt. Denn offenbar war auf einigen Videos nicht nur Bin Laden zu sehen, sondern eben auch die Bürotürme des EU-Parlaments in Luxemburg. Auch Anleitungen zum Bombenbau sollen sich unter dem im März vergangenen Jahres beschlagnahmten Material befinden. Und gefälschte Pässe. Die wiederum könnten einen Zusammenhang herstellen zu der Festnahme eines Tunesiers in Berlin eine Woche vor der Razzia im vergangenen Jahr. Dabei führte nämlich schon einmal die Spur von möglichen Terroristen ins Großherzogtum. Der 32-jährige Tunesier wurde festgenommen, weil er persönlichen Kontakt zu Osama Bin Laden gehabt haben soll. Bei ihm wurden neben Sprengstoff-Utensilien und einer Pistole auch ein gefälschter portugiesischer Reisepass gefunden. Das Dokument habe zu einer Serie von mehreren hundert Blanko-Pässen gehört, die im April 2000 aus dem portugiesischen Generalkonsulat in Luxemburg gestohlen wurden, hieß es damals.Grenzüberschreitende Polizei-Arbeit

Die Ermittler gingen davon aus, dass der Diebstahl auf das Konto islamistischer Terroristen ging, um sich mit den Pässen im so genannten Schengen-Gebiet relativ frei bewegen zu können. Vermutlich bestanden Verbindungen zwischen dem in Berlin festgenommen Tunesier und Kalifi und der AML in Luxemburg. Zumindest ist der zeitliche Zusammenhang beider Aktionen auffallend. Vielleicht ist die Razzia auch das erste Ergebnis der seit März 2003 relativ unbürokratisch laufenden Polizei-Arbeit zwischen Deutschland und Luxemburg. Rheinland-Pfalz, Deutschland, Belgien und Luxemburg haben seitdem eine gemeinsame Polizei-Stelle in Luxemburg-Stadt. Sie ist in dieser Form einzigartig. 31 Beamte aus den vier Ländern arbeiten hier zusammen. In der Polizei-Stelle ist der Registeraustausch möglich. Das heißt, Daten über Fahndungen, Wohnsitz, Vorstrafen oder aus dem Handelsregister können über Ländergrenzen hinweg ausgetauscht werden. "Unsere Sicherheitsbehörden stehen in engem Kontakt mit den Luxemburger Kollegen", bestätigte Gerhard Müllenbach, Staatssekretär im saarländischen Innenministerium.

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