Steinmeier im Aufbruch mit "Agenda 2020"

SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier hat am Montag in Berlin vor rund 400 Vertretern aus Wirtschaft und Wissenschaft seinen "Deutschland-Plan" vorgestellt. TV-Korrespondent Stefan Vetter erläutert die wichtigsten Aspekte der "Agenda 2020".

Berlin. (vet) Die heftige Kritik am Realitätsgehalt vorab bekannt gewordener Eckpunkte der "Agenda 2020" ließ SPD-Hoffnungsträger Frank-Walter Steinmeier nicht unbeeindruckt: "Ich verspreche nicht vier Millionen neue Arbeitsplätze", stellte Steinmeier klar. "Ich sage, das Ziel ist erreichbar, wenn wir es gemeinsam anpacken". Ein Überblick:

Was will Steinmeier?

Steinmeier sieht in seinem Konzept "das Kursbuch für den Neustart der sozialen Marktwirtschaft". Zentrales Ziel ist die Vollbeschäftigung bis zum Jahr 2020. Dazu soll die Wirtschaft ökologisch umgebaut werden. Der Kandidat verspricht sich von dem Vorstoß eine inhaltliche Diskussion und einen "Wettstreit der Ideen". Die Politik müsse aus dem "Krisengerede endlich herauskommen", so Steinmeier. Ein Wunsch, der auch trefflich zur SPD selbst passt.

Was heißt ökologischer Umbau?

Nach Ansicht Steinmeiers wird die Energie- und Rohstoffeffizienz schon bald zum entscheidenden Wirtschaftsfaktor in der Industrie. 2020 sollen deshalb 30 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien kommen und 40 Prozent aus "sauberen Gas- und Kohlekraftwerken". Dazu soll vor allem die umstrittene CO2-Abscheidungstechnologie CCS genutzt werden. Insgesamt soll der Ausstoß schädlicher Treibhausgase in Deutschland bis 2020 um 20 Prozent zurückgehen.

Woher soll das Jobwunder kommen?

"Größter Beschäftigungsmotor" sind laut Steinmeier die klassischen Industriebranchen und die produktionsnahen Dienstleistungen. Hier sollen zwei Millionen Jobs entstehen. Die Gesundheitswirtschaft sowie die sogenannten Kreativbranchen (zum Beispiel neue Medien) und sonstige Dienstleistungen (Handel und Tourismus) sollen insgesamt weitere zwei Millionen neue Arbeitsplätze beisteuern.

Welche Rolle spielen kleinere Betriebe?

Schon im kürzlich vorgestellten "Kompetenzteam" der SPD spielt der Mittelstand eine herausgehobene Rolle. Um das Thema soll sich speziell der Unternehmer und Multimillionär Harald Christ kümmern. In Steinmeiers Konzept ist nun von einer "Allianz für den Mittelstand" die Rede. Dazu will Steinmeier Vertreter von Wirtschaft, Gewerkschaften und Banken an einen Tisch holen. Die Runde soll sich um die Bekämpfung der Kreditklemme kümmern. Dazu ist auch ein staatlicher "Ombudsmann" als Vermittler geplant.

Was ist beim Thema Bildung vorgesehen?

In dem Konzept wird eine "neue Bildungsoffensive" zum "Leitprojekt" sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik erklärt. 2020 soll die Hälfte aller Schüler über eine Hochschulreife verfügen. Entsprechend soll sich der Anteil der Hochschulabsolventen im Vergleich zu 2010 verdoppeln. Dabei will sich die SPD besonders um Migranten kümmern. Das bisherige Bundesbildungsministerium soll dann "Ministerium für Bildung und Integration" heißen.

Wie soll der "Deutschland-Plan" finanziert werden?

Darauf hat Steinmeier keine schlüssige Antwort. Erkennbar ist aber, dass der Schuldenabbau nur noch eine untergeordnete Rolle spielen soll. "Damit die deutsche Wirtschaft wieder auf die Beine kommt, dürfen die öffentlichen Haushalte erst wieder konsolidiert werden, wenn der Aufschwung kräftig und stetig genug sein wird", erklärte Steinmeier vor Journalisten. Diese Aussage passt allerdings schwerlich zur Schuldenbremse, die Bund und Länder vor wenigen Wochen per Grundgesetzänderung beschlossen hatten.

Wie beurteilen Wirtschaftsexperten das Konzept?

Der Chef des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, lobt zwar das Ziel der Vollbeschäftigung, hält aber das SPD-Rezept für untauglich. Statt Beschäftigungsziele für bestimmte Branchen zu definieren, müssten die Rahmenbedingungen für Investitionen, Innovation und offene Arbeitsmärkte verbessert werden. Auch für den Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel geht der politische Kampf gegen die Arbeitslosigkeit grundsätzlich in Ordnung. Mit ihrer Agenda 2010 habe die SPD jedoch Arbeitslose in prekäre Jobs gezwungen. Daher sei das Programm der SPD unglaubwürdig.

Warum heißt das Konzept nicht "Agenda 2020"?

In der Tat würde sich dieser Name anbieten. Denn so wie die Agenda 2010 eine Reform des Arbeitsmarktes und der Sozialsystem zum Inhalt hatte, markiert Steinmeiers Plan nun einen grundlegenden Umbau der Wirtschaft. In der Bevölkerung wird der Agenda-Begriff allerdings nur mit den negativen Auswirkungen der Hartz-Gesetze verbunden. Davon hat sich die SPD bis heute nicht erholt. Kein Wunder also, wenn sie den Begriff am liebsten vergessen machen möchte.

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