Steinmeiers Ritt auf der Rasierklinge

Berlin · Der Antrittsbesuch des Bundespräsidenten in Israel erfordert viel Fingerspitzengefühl. Ein neuer Eklat soll unbedingt vermieden werden.

Berlin. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier steht vor seiner ersten heiklen Aufgabe. Am Samstagnachmittag reist er zu einem zweitägigen Antrittsbesuch nach Israel - mitten hinein in eine ohnehin höchst komplizierte Region. Durch den Eklat zwischen Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) und Israels Premier Benjamin Netanjahu vorige Woche ist nun noch eine diplomatische Krise zwischen den beiden Ländern hinzugekommen. Der Antrittsbesuch wird so zum Ritt auf der Rasierklinge.

Steinmeier bringt dafür freilich eine wichtige Eigenschaft mit: Er hat Israel als Außenminister oft besucht und kennt alle Akteure, darunter Netanjahu. Auch zu dessen innerisraelischen Kritikern und zu den Palästinensern hat der frühere SPD-Politiker exzellente Kontakte. Gabriel hat demgegenüber kein besonderes Ansehen in Israel. Auch deshalb fiel es Netanjahu relativ leicht, ein Treffen mit ihm letzte Woche kurzfristig abzusagen, weil der Gast sich mit der Gruppe Breaking the Silence treffen wollte, die Übergriffe israelischer Soldaten auf Palästinenser dokumentiert. Innenpolitisch bekam Netanjahu dafür viel Beifall, was wohl auch ein Motiv für die Absage war.

Steinmeier hätte die Aktivistengruppe nun erst recht treffen können, verkneift sich das aber. Es hätte bedeutet, den Eklat sehenden Auges ein zweites Mal regelrecht zu suchen - und das deutsch-israelische Verhältnis fundamental zu beschädigen. Statt mit Oppositionsgruppen trifft sich der Bundespräsident aber mit Intellektuellen, die den Konfrontationskurs der aktuellen israelischen Regierung gegenüber den Palästinensern kritisieren. So kommt er am Sonntag, bevor das Programm richtig losgeht, in seinem Jerusalemer Hotel mit dem Schriftsteller und Friedensaktivisten David Grossmann zusammen.
Am Montag sind "Vertreter der Zivilgesellschaft" in die Residenz des deutschen Botschafters zu einem Mittagessen eingeladen, sieben bekannte Persönlichkeiten, darunter der Schriftsteller Amos Oz. Und in einer Grundsatzrede am Sonntagabend in der Universität von Jerusalem will Steinmeier über Prinzipien der Demokratie sprechen. Ein Treffen mit Palästinenserchef Mahmoud Abbas am Montag in Ramallah ist ebenfalls geplant.

All das sind nach Ansicht des Berliner Präsidialamtes Zeichen genug, um die Position Deutschlands klarzumachen: Für eine Zweistaatenlösung und gegen die israelische Siedlungspolitik. Doch will man Netanjahu keinen Vorwand liefern, sein für Sonntagnachmittag geplantes Gespräch mit dem Bundespräsidenten abzusagen.
Auch der Präsident der deutsch-israelischen Gesellschaft, Hellmut Königshaus, erwartet, dass Steinmeier das deutsch-israelische Verhältnis "wieder in ruhigeres Fahrwasser" bringen kann, wie er auf Anfrage sagte. "Wenn es einer kann, dann ist es er." Der Bundespräsident habe die notwendige Sensibilität und genieße in Israel "eine gewisse Grundsympathie". Von Gabriel könne man beides nicht sagen.

Steinmeiers Nachfolger in seinem früheren Amt des Außenministers ist in die Planung der Reise einbezogen und offenbar einverstanden: Der Bundespräsident sei in einer anderen Rolle als er, sagte Gabriel am Freitag in einem Interview. Er habe keinen Zweifel, dass Steinmeier die richtigen Worte finden werde, um die Situation zu beruhigen.
Gleichzeitig griff Gabriel Netanjahu wegen des Eklats der vergangenen Woche erneut scharf an: "Unter Demokraten stellt man sich keine Ultimaten."
Unterstützung bekam der Minister von 20 prominenten regierungskritischen Israelis, die ihm einen offenen Brief schickten und sich "zutiefst dankbar" für sein Verhalten beim Israel-Besuch zeigten. Ob der zurückhaltendere Bundespräsident nach seinem Besuch auch einen solchen Dankesbrief bekommen wird, ist ungewiss.

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