Steinmeiers Vorbild ist der "Kümmerer Kurt"

Drei Wochen nach Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist gestern Abend ihr SPD-Herausforderer Frank-Walter Steinmeier vor der Porta Nigra aufgetreten. Tenor seiner Wahlkampfrede: Wer den Sozialstaat erhalten will, muss Schwarz-Gelb verhindern.

Trier. Eine Parallele zwischen dem Auftritt Frank-Walter Steinmeiers und der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel ist auffällig: Am Ende wird bei beiden Politikern geschwindelt, auch wenn die vermeintliche Zuhörer-Zahl jeweils von den Moderatoren verkündet wird: 4000 sind's angeblich gestern Abend, 6000 zählte Anfang September an gleicher Stelle vor der alt-ehrwürdigen Porta der Merkel-Mann. Zieht man von beiden Zahlen 50 Prozent ab, dürfte das Ergebnis der Realität nahekommen. Rund 2000 Zuhörer, ein Drittel weniger als bei der Kanzlerin, wollen am Donnerstagabend den 53-jährigen Herausforderer hören.

Der SPD-Kandidat weiß nach knapp 100 Wahlkampf-Auftritten, wie man das von einem eher drögen Vorprogramm nicht gerade verwöhnte Publikum für sich gewinnt: mit einem Schuss verbalen Lokalkolorits. Da kommt der 4:2-Pokal-Erfolg der Trierer Eintracht gegen Bielefeld gerade recht. "Sie haben mir das Herkommen nicht gerade leicht gemacht", beginnt der 53-jährige Hobby-Kicker (Spitzname "Prickel") aus Ostwestfalen. "Die größte Stadt bei uns ist Bielefeld", sagt Steinmeier. "Und dass ihr Trierer mit 2025 Jahren auf dem Buckel uns aus dem Pokal schmeißt, hätte ich nie gedacht." Da hat Frank-Walter Steinmeier die Lacher auf seiner Seite, der Applaus ist ihm gewiss.

Eine Dreiviertelstunde redet der Vize-Kanzler dann über Rechtsextremismus ("Braune Gefahr"), Mindestlohn ("Nur mit uns"), Kernkraft ("Mit uns gibt's kein Zurück") und malt dabei immer wieder ein Schreckensszenario an die Wand: Schwarz-Gelb. "Die Denke, die uns in die Krise geführt hat, darf doch nicht die Antwort darauf sein", sagt Steinmeier.

Schwarz-Gelb will der SPD-Herausforderer verhindern, aber welche farbliche Konstellation sich Frank-Walter Steinmeier nach dem Wahlsonntag wünscht oder vorstellen kann, sagt er nicht. Nicht einmal nimmt er das Wort Grüne oder Linke in den Mund.

Dafür traut er sich immerhin eine Prognose zum Wahlausgang zu: "Das Ergebnis wird ein anderes sein, als die letzten Umfragen voraussagen." Danach liegt die Steinmeier-Partei zwischen 24 und 27 Prozent. "Ich prophezeihe euch eine starke SPD", sagt ihr Spitzenkandidat.

Hinter Frank-Walter Steinmeier klatscht der Mainzer Ministerpräsident Kurt Beck, der vom Hauptredner gleich mehrfach gelobt wird. "Lieber Kurt, du bist ein Kümmerer, hast hier in Rheinland-Pfalz mit gebührenfreien Kindergärten und Universitäten die Richtung vorgegeben. Das ist meine Richtung, da soll Deutschland hin." Der so Gelobte lächelt fröhlich. Wie weggeblasen scheint der erst ein Jahr zurückliegende Zoff an der SPD-Spitze, als der Vorsitzende Kurt Beck bei einer Klausur nahe Potsdam den Posten Hals über Kopf hinwarf. Schnee von gestern. Unter Parteifreunden muss man sich nicht mögen, aber im Wahlkampf tritt man gemeinsam auf.

Die drei regionalen SPD-Direktkandidaten Manfred Nink, Elke Leonhard und Marcus Heintel lassen sich am Ende mit einem fröhlich winkenden Frank-Walter Steinmeier fotografieren. Die im Bitburger Wahlkreis antretende Leonhard muss zuvor allerdings noch die bereits an Steinmeiers Rechte gehuschte Schriftstellerin Annegret Held zur Seite bugsieren. Die Literatur-Experten bekannte Frankfurter Autorin hatte sich im Rahmen des Vorprogramms "spontan" bereiterklärt, der SPD beizutreten: "Ich bitte um ein Parteibuch." Na ja!

Der mit dem Flieger aus Berlin angereiste Kandidat braust gleich nach seinem Auftritt samt Eskorte wieder zum Föhrener Flugplatz. Von dort aus geht's ins 600 Kilometer entfernte Regensburg, wo am Abend schon der nächste Wahlkampfauftritt ansteht.

Erst am Samstag endet für Steinmeier der Wahlkampf-Marathon.

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