"Sterbehilfe wird es nicht geben!"

TRIER/BERLIN. Der Gesetzentwurf aus dem Bundesjustizministerium zur so genannten Patientenverfügung schlägt Wellen. Streitpunkt ist der "letzte Wille" eines schwer Kranken - und wie beziehungsweise ob eine solche Verfügung dem Patienten gerecht werden kann.

Die Großmutter leidet an Krebs. Sie hat unvorstellbare Schmerzen, und die Ärzte sagen, dass sie nie wieder gesund wird. Wer schon einmal einen sterbenskranken Menschen bis zum Ende begleitet hat, weiß, dass es Momente gibt, in denen schwere Entscheidungen anstehen: Wie lange wird künstlich ernährt? Wann werden Beatmungsmaschinen abgestellt, wenn der Kranke wochenlang im Koma liegt? Eine Hilfe für Angehörige, aber auch für Ärzte, kann die so genannte Patientenverfügung sein, bei der der Kranke noch bei vollem Bewusstsein festgelegt hat, wie er im Endstadium seiner Krankheit behandelt werden will. Während die FDP am Gesetzentwurf der Bundesjustizministerin Brigitte Zypries ausdrücklich begrüßt, dass das Selbstbestimmungsrecht Dreh- und Angelpunkt aller Überlegungen werden soll, kommen aus den Reihen der Enquetekommission "Ethik und Recht der modernen Medizin" des Bundestages Bedenken. "Selbst für Grundstückskäufe gibt es im Bürgerlichen Gesetzbuch strengere formelle Regeln", kritisiert der Sprecher der Unionsfraktion in der Enquetekommission, Thomas Rachel. Es fehlten Vorschriften zum Schutze des Patienten; damit entstünden Missbrauchsgefahren, weil man sich im Zweifelsfall auch gegen das Leben entscheiden könne. Ministerin Zypries betont hingegen: "Aktive Sterbehilfe wird es nicht geben." Auch der Klinikärzte-Verband Marburger Bund fordert schärfere Regelungen für das Beenden lebensverlängernder medizinischer Behandlungen. Patientenverfügungen dürften nur unter ärztlicher Beratung verfasst werden und müssten einen konkreten Bezug zur aktuellen Erkrankung enthalten. Außerdem komme ein Abbruch der Behandlung, im Gegensatz zum Gesetzentwurf, nur in Frage, wenn die Krankheit unumkehrbar zum Tode führe, sagt der Chef der Ärzte-Organisation, Frank Ulrich Montgomery. Laut Gesetzentwurf wird auch der früher mündlich geäußerte Willen des Patienten als verbindlich anerkannt. Eine Vertrauensperson kann im Sinne des Patienten über die weitere Behandlung entscheiden. So soll ein Bevollmächtigter den Willen des Patienten sogar gegen die Meinung des Arztes durchsetzen können.Komitee für richtige Entscheidung

Gerade dieser Punkt ist nach Meinung von Fachleuten heikel, kann sich doch ein solcher mündlich geäußerter Wille im Laufe der Zeit ändern. Auch, dass der "mutmaßliche Wille" eines nicht mehr ansprechbaren Patienten über ein Gespräch mit Vertrauenspersonen ermittelt wird, ist für viele Ärzte ein Problem. "In jedem Fall hat ein schriftlich fixierter Patientenwunsch mehr Gewicht als die Meinung der Angehörigen", unterstreicht der Trierer Palliativmediziner Franz-Josef Tentrup die Bedeutung einer schriftlichen Verfügung. Einen Schritt weiter geht man im Trierer Mutterhaus: Dort wurde ein Komitee gegründet, das sich im Bedarfsfall mit Patientenverfügungen beschäftigt. "Die Entscheidung, ob und wie eine Verfügung umgesetzt wird, darf nicht nur auf den Schultern des Arztes ruhen", sagt Seelsorger Bruder Leo Wittenbecher. Das Komitee bestehe aus Ärzten, Seelsorgern, Pflegern und Psychologen. "Im Vordergrund steht, die Patientenautonomie zu stärken", betont Bruder Leo. Die bisher übliche Form der Patientenverfügung hat sich derweil längst etabliert. "Wir haben sehr viele Anfragen", sagt Sozialtherapeut Josef Hoffmann vom Trierer Hospizverein. Verfügungen dürften in keinem Fall starre Formulare sein, die ohne Beratung ausgefüllt würden. "Solche Formulare kursieren, sind aber wenig sinnvoll, weil nicht individuell genug", sagt Hoffmann. Vielmehr müsse, und damit geht er mit Medizinern konform, ein eingehendes Gespräch mit dem Hausarzt die Grundlage sein für die Patientenverfügung. In der Veranstaltungsreihe des Trierer Hospiz-Vereins "Hospiz im Gespräch" hält Josef Hoffmann am Dienstag, 30. November, ab 19 Uhr im Dietrich-Bonhoeffer-Haus (Nordallee 7, Trier) einen Vortrag zum Thema "Vorsorgen und selbst bestimmen!? Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht".

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