Stimmung gut - alles gut

Neuhardenberg. Die dritte Steuerreformstufe wird von 2005 auf 2004 vorgezogen. Dies kündigte Bundeskanzler Gerhard Schröder nach Ende der Kabinettsklausur im brandenburgischen Neuhardenberg an.

Zum Abschluss bat der gut gelaunte und irgendwie auch erholt wirkende Kanzler seine Minister noch in den wunderbaren Park des Schlosses Neuhardenberg. Gerhard Schröder hatte dort gestern morgen einen großen Tisch aufstellen lassen, und unter prächtigen Bäumen bei angenehmen Temperaturen wurden ein letztes Mal die Ärmel hochgekrempelt und die Sakkos locker über den Stuhl gehängt. Ein "hart erarbeitetes, aber erfolgreiches Klausurwochenende" (Schröder) neigte sich dem Ende entgegen. Und so lässig, wie die Protagonisten ihre Schlussdebatten auf grünem Rasen führten, gaben sie sich die ganzen drei Tage über. T-Shirts, Polo-Hemden, Jeans, der "Wohlfühlfaktor" für die Damen und Herren des Kabinetts in dem historischen Anwesen vor den Toren Berlins muss trotz des Arbeitspensums zweifellos groß gewesen sein. Renate Künast, grüne Verbraucherschutzministerin, gefiel das Miteinander mit ihren Kollegen sogar so sehr, dass sie aus dem Treffen gleich eine Tradition machen wollte. Kurzum, Stimmung gut, alles gut, war die Botschaft der Reformklausur. Weswegen der Kanzler am Sonntag in alter staatsmännischer Pose offiziell mitteilen konnte, was alle Welt schon seit Tagen wusste: Die übernächste Stufe der Steuerreform wird auf 2004 vorgezogen. Damit erhalten Bürger und Mittelstand Entlastungen von zusätzlich 18 Milliarden Euro, inklusive der Stufe zwei macht das 25 Milliarden Euro ab kommendem Jahr. "Zehn Prozent weniger Einkommenssteuer heißt zehn Prozent mehr für den Konsum", rechnete Schröder vor. Beschlossen und vom Kanzler verkündet, aber auch er kann nicht sicher sein, ob es tatsächlich so kommt. Prinzip Hoffnung. Bei der Gegenfinanzierung, das eigentlich spannende Thema der Klausur, wollen es die Roten und Grünen nämlich noch schön unkonkret halten. Für den umstritten Haushalt 2004, den man "in einer halben Stunde", so der Regierungschef, abgearbeitet hatte, sind ja von Finanzminister Hans Eichel schon tiefe Einschnitte für Arbeitnehmer, Bauherren oder Rentner vorgesehen. Der klamme Hans pokert

Das Vorziehen der Steuerreform, das dem Bundesetat 2004 einen neuen Fehlbetrag von rund sieben Milliarden Euro bescheren wird, soll nun mit weiterem Subventionsabbau finanziert werden - wo und bei wem, ist jedoch noch völlig unklar. Außerdem will die Koalition Privatisierungserlöse zum Stopfen des Loches einsetzen. Zu guter Letzt wird die Neuverschuldung noch einmal erhöht, wodurch die Kredite über den Investitionen liegen und Eichels Etat prompt nicht mehr verfassungsgemäß ist. Der Minister kündige an, er werde deshalb erneut die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ausrufen. Eichel baut jedoch darauf, dass die Steuersenkungen das Wachstum ankurbeln und er deshalb glimpflich davon kommt - der klamme Hans pokert. "Ein Aufbruchssignal" gehe von dem Wochenende aus, meinte der Kanzler am Ende der Klausur. "Das ist eine Aufbruchsituation", dämpfte Vize Joschka Fischer die Erwartungen. Denn ohne die Opposition im Bundesrat ist alles eben nichts. Merkel, Stoiber und Co. lehnten die Pläne der Regierung flugs ab mangels "konkreter Angaben", wie das Vorziehen finanziert werden könne. Fischer ließ jedoch durchblicken, wie Rot-Grün auf diese Haltung beim Kampf um die öffentliche Meinung reagieren wird: mit der Erinnerung an den Wahlkampf, in dem sich die C-Parteien deutlich für ein Vorziehen der Reform ausgesprochen hatten.

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