Stolpe: "Gerhard Schröder ist ein Held"

BERLIN. Bundesbau- und Verkehrsminister Manfred Stolpe plagen derzeit erhebliche Sorgen wegen der nicht in Gang kommenden LKW-Maut. Zu diesem Thema, der Krise am Bau und dem Zustand der SPD äußert er sich im TV -Interview.

Herr Minister, welches Thema beschäftigt Sie derzeit am meisten? Die LKW-Maut, die Krise am Bau, der zähe Aufbau Ost oder die desaströse Lage der SPD? Stolpe: Wenn ich etwas sensibler veranlagt wäre, würde mir jedes dieser Themen ein Viertel meines Schlafes rauben. Von den vier genannten bewegt mich aber am stärksten die Frage, wie schaffen wir die Angleichung der Lebensbedingungen in Deutschland. Da spricht jetzt nicht der Verkehrsminister, sondern der Aufbauminister Ost. Stolpe: Nicht alles lässt sich nach Ost-West-Schema beurteilen. Benachteiligung ist das Stichwort. Ich bin in Themen eingebunden, die für Ost und West gleichermaßen von Interesse sind. Ich muss dafür sorgen, dass Wachstumsregionen nicht im Stau ersticken, strukturschwache Gebiete aber vernünftig erreichbar sind, damit sie eine Chance haben. Das ist im Emsland genauso wie in der Lausitz. Das kostet Geld, das an allen Ecken und Enden fehlt. Stolpe: Also Geld haben wir schon. Mein Haus hat einen ordentlichen Etat für Infrastruktur-Maßnahmen, allein im Bereich Verkehr sind es über elf Milliarden Euro. Dennoch könnten wir natürlich mehr gebrauchen. Der Bedarf ist da. Zum Beispiel am Bau. Die Branche liegt seit Jahren am Boden. Jetzt will Finanzminister Eichel auch noch die Eigenheimzulage kappen, und zusätzlich haben die Tarifpartner Öffnungsklauseln vereinbart, also Lohnkürzungen. Ist das das Patentrezept? Stolpe: Es ist richtig, dass die Gewerkschaften und die Unternehmen Absprachen getroffen haben, die mehr Flexibilität in den einzelnen Regionen und den Betrieben ermöglichen. Das hilft, Schwarzarbeit zu bekämpfen und Dumpingangebote abzuwehren. Im Eigenheimbereich geht es der Branche aktuell gut, da wir einen Sonderboom durch die Furcht vor dem Wegfall der Eigenheimzulage haben. Die Furcht ist ja berechtigt. Müssten Sie als Bauminister nicht tapfer wie Siegfried für die Eigenheimzulage kämpfen? Stolpe: Die Diskussion um die Eigenheimzulage ist schon alt. Mitnahme-Effekte und Flächenzersiedlung sind Folgen der aktuellen Regelung. Wir haben die Zusage, dass es ein Programm für Finanzierungsmaßnahmen im innerstädtischen Bereich geben wird. Gerade kleinen Bauunternehmen wird dies helfen. Herr Minister, an der LKW-Maut kommen wir nicht vorbei. Gibt es einen neuen Vertrag mit dem Konsortium Toll Collect? Stolpe: Wir haben uns darauf geeinigt, dass eine Vertragsanpassung erfolgen muss. Denn vieles stimmt ja nicht mehr - die Termine sind alle gerissen worden, wir brauchen mehr Erfassungsgeräte als vorgesehen. Wann rechnen Sie denn nun nach dem ganzen Chaos mit dem Start der Maut? Stolpe: Ich bin einmal darauf hereingefallen, einen mir zugesagten Termin zu verkünden, das passiert mir nicht noch mal. Die Verantwortung für den Aufbau des Systems liegt beim Konsortium. Die müssen einen realistischen Termin nennen. Herr Stolpe, Sie waren länger als ein Jahrzehnt Ministerpräsident in Brandenburg, haben dort für klare politische Verhältnisse und stabile SPD-Mehrheiten gesorgt. Was sagen Sie dazu, dass sich jetzt auch Ihr Land bitter enttäuscht von der SPD abwendet? Stolpe: Das ist nicht nur ein Thema in Brandenburg. Die Fülle unserer Reformen sorgt für Verunsicherung bei den Menschen. Die Bürger haben das Gefühl, der SPD ist soziale Gerechtigkeit nicht mehr wichtig. Deshalb müssen wir den Menschen die Reformnotwendigkeit und unsere Pläne besser erklären. Ist das wirklich nur ein Kommunikationsproblem, oder macht der Kanzler nicht etwas falsch, wenn er die SPD stimmenmäßig auf PDS-Niveau herunter wirtschaftet? Stolpe: Er macht bezüglich der Reformen nichts falsch. Der Bundeskanzler ist in meinen Augen zu einem Helden geworden wir haben richtig gehört: Zu einem Helden? Stolpe: Ja, zu einem Helden. Gerhard Schröder hat irgendwann im Jahr 2002 gesehen, dass so viel Veränderungen fällig sind in Deutschland, die man anpacken muss. Andere haben das schon Jahre vorher gewusst und laut artikuliert. Stolpe: Aber nichts gemacht. Es ist furchtbar einfach zu erklären, was alles verändert werden soll. Aber es ist unglaublich schwer, dies dann anzugehen. Schröder tut es. Im Umkehrschluss heißt das, die ersten vier Jahre hat Rot-Grün verschenkt. Oder nicht? Stolpe: Nein. Es ist aber immer die Hoffnung mit am Tisch gewesen, hinter der nächsten Ecke kommt der Aufschwung. Herr Stolpe, Sie sind ein rüstiger Minister im besten Rentenalter, der für einen Genossen eingesprungen ist, der nicht nach Berlin wollte. Würden Sie bei einer eventuellen Kabinettsumbildung, die der Kanzler im nächsten oder übernächsten Jahr sicher plant, Ihren Platz räumen? Oder haben Sie Gefallen gefunden am Ministerjob? Stolpe: Ich mache meine Arbeit sehr gerne. Und ich bin beschäftigt bis 2006. Solange habe ich auch vor zu bleiben. Das Gespräch führten Bernard Bernarding und Hagen Strauss.

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