Strammes Studium, falsches Etikett

BITBURG. Die unionsgeführten Bundesländer haben gestern das Programm der Bundesregierung zur Einführung so genannter Elite-Universitäten mit einem Veto ausgebremst. Dabei gibt es bereits eine solche Hochschule in der Republik: die International University Bremen (IUB). Zwei von 108 Absolventen des ersten Jahrgangs stammen aus dem Kreis Bitburg-Prüm - und sind alles andere als elitär gestrickt.

 Erinnerungsfoto mit Kommilitonen: Claudia Nitzschmann hat an einer Elite-Uni ihren Abschluss gemacht.Foto: privat

Erinnerungsfoto mit Kommilitonen: Claudia Nitzschmann hat an einer Elite-Uni ihren Abschluss gemacht.Foto: privat

Als der TV kürzlich über die geplanten "Elite-Unis" im Land berichtete, da stutzte Walter Nitzschmann: Das begleitende Foto war nämlich bei der Abschlussfeier des ersten IUB-Jahrgangs am2. Juni in Bremen geschossen worden. Und eine der Absolventinnen ist Nitzschmanns Tochter Claudia. "Bei uns hier weiß ja kaum jemand, dass es diese Uni gibt", sagt der Finanzbeamte aus Wißmannsdorf, "und dass zwei aus der Eifel dort schon ihren Abschluss gemacht haben."Drei Jahre, volles Programm

Der zweite Eifeler IUB-Absolvent ist Andreas Sonnen aus Bitburg-Matzen. Er hält sich zurzeit mit drei Studienkollegen in seiner Heimat auf. "Wir haben das Foto im TV gesehen", berichtet er. "Und uns gewundert, weil uns das irgendwie bekannt vorkam." Andreas hat an der Bremer Uni seinen Bachelor-Abschluss in Chemie und in Biochemie/Zellbiologie gemacht. Und zwar in nur drei Jahren. Klingt nach einem Hammerprogramm. "Für mich wäre eher ,Literatur' ein Hammerstudium gewesen", sagt er und lacht. Womit wir wieder bei Claudia wären: Sie hat in Sozialer und Kognitiver Psychologie, Kunst- und - genau - Literaturtheorie abgeschlossen. Drei Jahre Studium, kaum Zeit für "Nebentätigkeiten". Resultat: Der Altersdurchschnitt aller Absolventen liegt bei 21,7 Jahren. "Das ist nicht immer ganz einfach", räumt Andreas ein. "Oft gingen die Kurse bis zehn Uhr abends." Zumal die Studenten auf dem Campus wohnen und kaum nach "draußen" kommen: "Du ,lebst‘ praktisch die Uni. Ich habe das als sehr schön empfunden, andere hatten Probleme damit." Dafür aber stehen ihnen jetzt viele Türen offen: "Ich habe ein Vollstipendium für Oxford bekommen", sagt Andreas. "Ende September fange ich dort an, meinen Doktor in Chemie und Biochemie zu machen." Danach will er sich der Forschung widmen. Andreas ist kein Titeljäger. Aber den "Dr." brauche man einfach im Schubladen-fixierten Deutschland, "wenn man später nicht nur Reagenzgläser spülen will". "Hier schreien immer alle nach jüngeren Uni-Abgängern", sagt auch Claudia. "Aber man wird halt immer noch gefragt: Haben Sie ein Diplom?" Deshalb bleibt sie in Bremen, konzentriert sich auf Kunst und Literatur und will darin den Master-Abschluss machen. Zum Thema "Elite" - noch so eine Schublade - haben beide eine klare Meinung: Sie können es nicht mehr hören. "Ich denke gar nicht in diesen Begriffen", sagt Claudia. "Auch an der Uni ist davon gar keine Rede. Wir werden eigentlich immer nur durch die Presse damit konfrontiert." "Ich habe mir meine Uni gewiss nicht nach diesem Etikett ausgesucht", sagt Andreas. "Das gehört aus unserem Wortschatz gestrichen - es bringt nur Probleme. Es wäre gut für das Klima in unserem Land, wenn man damit viel entspannter umgehen würde. In Amerika oder England sagt auch niemand ,Elite-Universität'. In Oxford hat man den Begriff noch nie gehört." Denn es gehe überhaupt nicht darum, eine "Elite" von den "Normalen" abzusondern: "Alle müssen gut ausgebildet werden", fordert Andreas. "Es wäre sinnvoller, bestimmte Fachbereiche zu fördern, mehr Geld für Forschung und Lehre bereit zu stellen - ohne diese Hochschulen als ,Elite-Unis' zu deklarieren. Und dann bekommt man auch bessere Studenten." Die werden in Bremen übrigens nicht allein nach Notenschnitt ausgewählt: Claudia Nitzschmann hatte im Abitur keine Eins vor dem Komma - aber die Hanseaten nahmen sie trotzdem, weil sie unter anderem bereits ein Jahr USA-Erfahrung mitbrachte. Den Tipp, sich nach Bremen zu bewerben, erhielt sie übrigens von einem früheren Schulkollegen. Sein Name: Andreas Sonnen.

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