Türkei-Frage belastet Koalition

Auch nach den Koalitionsverhandlungen bleiben Fragezeichen: Die Union ist gegen den Beitritt der Türkei zur EU, die FDP offen für diese Option. Große Differenzen gibt es auch bei der Wehrpflicht.

Berlin. Die Nato-Zugehörigkeit Deutschlands, die Stärkung der EU und die Sicherung des Existenzrechts Israels: Bei den großen Eckpfeilern der deutschen Außenpolitik gibt es zwischen Union und FDP keinerlei Unterschiede. Und trotzdem waren die Verhandlungen in der Arbeitsgruppe Außen/Verteidigung/Entwicklung/Europa nicht einfach. Vor ihrer gestrigen Schlussrunde, die bis zum Abend andauerte, hatten sich die Fachpolitiker, darunter Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) und FDP-Fraktionsvize Birgit Homburger, zwar auf ein gemeinsames Papier geeinigt. Doch enthielt es weiterhin einige Formulierungen, die in eckigen Klammern stehen. Das sind Punkte, die auf höherer Ebene geklärt werden müssen.

Ganz oben rangiert dabei der Beitritt der Türkei zur EU. Die Union ist hier in ihrem Wahlprogramm glasklar: "Die Türkei erfüllt die Voraussetzungen nicht." Sie will Ankara nur eine "privilegierte Partnerschaft" zugestehen. Anders die FDP, die die Beitrittsverhandlungen "ergebnisoffen" führen will. Guido Westerwelle will seinen Start als Außenminister nicht belasten und das Thema ganz ausklammern. "Diese Frage stellt sich in den nächsten vier Jahren nicht" wurde der FDP-Chef zitiert. Vor allem die CSU aber dringt darauf, dass eine Absage im Koalitionsabkommen stehen muss.

Strittig blieb in der schwarz-gelben Arbeitsgruppe auch der genaue Zuschnitt des Auswärtigen Amts. So beansprucht die Kanzlerin wie ihre Vorgänger eine mindestens ebenso große Kompetenz für Europa wie der Außenminister, der sie wiederum nicht weggeben will. Gerangel gibt es auch um die Entwicklungshilfe, die die FDP als eigenständiges Ressort auflösen und in das Auswärtige Amt integrieren möchte. Die Union steht hier unter dem Druck kirchlicher Gruppen, die das ablehnen.

Große Differenzen blieben bei der Wehrpflicht. Die FDP will klar deren Abschaffung und eine "sofortige Aussetzung" des Dienstes, die Union hält die Wehrpflicht für "auch in der Zukunft notwendig". Letztlich wird die FDP wohl einlenken müssen, denn in Koalitionsverhandlungen gilt immer der Grundsatz, dass etwas Neues nicht eingeführt wird, wenn es ein Partner partout nicht will. Und neu wäre eine Freiwilligenarmee.

Dafür muss im Gegenzug auch wohl die Union auf eine neue Einrichtung verzichten, die Schaffung eines "nationalen Sicherheitsrates". Die regelmäßige Koordinierung der Sicherheitsorgane soll reichen. Ziemlich einig war man sich auf der Arbeitsebene wiederum, dass die Bundeswehr besser ausgestattet sein soll. Die bestehenden Rüstungsprogramme, insbesondere das Raketenabwehrsystem Meads und der Lufttransporter A 400 M, sollen fortgesetzt werden. Und für künftige Auslandseinsätze müsse es Extra-Geld außerhalb des Verteidigungsetats geben. Diese Forderungen sind eine Einigung zu Lasten Dritter, nämlich des Bundeshaushalts. Die Parteichefs müssen also weiter diskutieren - gerade weil diese Punkte nicht in Klammern stehen.

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