Täglich hebt eine Kleinstadt ab

BERLIN. Jährlich zieht eine Großstadt in die Hauptstadt - und täglich geht eine Kleinstadt in die Luft. Statistische Zahlen müssen nicht trocken sein, vor allem nicht, wenn sie aus Berlin kommen.

Auch in deutschen Provinzen dürfte von Interesse sein, dass (im Durchschnitt) täglich 337 Menschen neu in die Hauptstadt ziehen. Macht im Jahr 123 000 Personen, also eine kleine Großstadt. Allerdings kehren auch pro Tag (durchschnittlich) 313 Berliner ihrer Stadt den Rücken, was die ganze Sache relativiert. Es bleibt aber nach dem jetzt vorgelegten Statistischen Jahrbuch 2003 des Landes Berlin ein leichtes Plus, was der Hauptstadt Ende letzten Jahres genau 3,392 Millionen Einwohner bescherte. In Groß-Berlin (mit dem brandenburgischen "Speckgürtel") leben sogar 5,9 Millionen Menschen. Was aber die wenigsten wissen: Fast genau die Hälfte aller Berliner Haushalte (49 Prozent) sind Single-Haushalte. Die Einsamkeit der Berliner Allein-Wohner wird nur noch von den Münchnern übertroffen, die es auf 54 Prozent Single-Haushalte bringen. Dafür ist in Berlin touristisch enorm viel los: Täglich kommen rund 13 000 Gäste nach Berlin (davon 3300 Ausländer), die durchschnittlich 2,3 Tage in Berliner Hotels übernachten. Auch interessant: Im Jahr 2002 starteten und landeten auf Berliner Flughäfen täglich 503 Flugzeuge mit insgesamt 32 845 Passagieren. Jeden Tag geht in Berlin also eine ganze Kleinstadt in die Luft. Im Jahr 2002 wurden in Berliner Standesämtern Tag für Tag 35 Ehen geschlossen - und 26 wieder geschieden. Der Trend zur Kurzehe hält also an, zumal die meisten Bündnisse nicht im angeblich verflixten siebten Jahr, sondern im sechsten Jahr scheiterten. Vor zehn Jahren wurden dagegen im Durchschnitt noch 42 Ehen pro Tag geschlossen und "nur" 18 geschieden. Trendsetter sind die Hauptstädter bis ins Grab hinein: Von den täglich 92 Toten in Berlin werden immer mehr (mittlerweile 75,8 Prozent) eingeäschert und per Urne bestattet. Und immer mehr Verstorbene (rund 40 Prozent!) lassen sich anonym bestatten. Geradezu "alltäglich" sind auch Selbstmorde in Berlin: Im Schnitt beendet alle 19 Stunden ein Berliner Bürger sein Leben durch eigenen Entschluss. Dafür sind die Berliner aber kulturbeflissen und aktiv: Täglich leihen sie in öffentlichen Bibliotheken über 51 000 Bücher, Kassetten und Videos aus. Opern und Theater werden täglich von 8800 Menschen besucht.

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