Tänzer auf glattem Parkett

BERLIN. Er gehört zu den gesellschaftlichen Großereignissen in Berlin - der Bundespresseball. Erstmals dabei: Horst Köhler als Bundespräsident und Joschka Fischers neue Freundin.

Um kurz nach Mitternacht hat Joschka Fischer genug. Auf der Bühne im Saal Potsdam beginnt gerade die Verlosung, bei der es Traumreisen, Karten für die Fußballweltmeisterschaft 2006 oder 15 Jahre lang kostenlos Strom zu gewinnen gibt. Fischer, gestärkt vom kanadischen Hummer, von Gelbschwanzmakrele und Kalbstafelspitz, verlässt die Veranstaltung im Berliner Hotel Interconti so, wie er gekommen ist: Im Stechschritt, die Hand ganz lässig in der Hosentasche, hinter ihm seine Freundin Minu Barati in tief dekolletierter schwarzer Robe. Es gibt Prominente auf diesem 53. Bundespresseball, die haben Spaß daran, auf dem roten Teppich vor unzähligen roten Rosen im Blitzlichtgewitter zu stehen; sie schlendern dann mit einem Staunen durch einen funkelnden Vorhang von Swarovski-Kristallen, und flanieren schließlich mit einem Lächeln entlang einer mit 1000 Glühbirnen gespickten Wand- "Glanzlichter" lautet das Motto des Balls. Solche Promis gibt es - und es gibt Joschka Fischer. Knapp zwei Minuten gönnt der Außenminister den Fotografen am roten Teppich. "Marsch, Marsch!" feuert er anschließend wie ein Bulldozer mürrisch seine Leibwächter an. Und als er im Ballsaal an Tisch 209 ankommt, noch mehr Fotografen sieht, fragt er entnervt angesichts der zuckenden Blitze: "Wer bezahlt den Augenarzt, bitte?" Fischer und seine Frauen, das macht ihn zum begehrtesten Foto-Objekt. Zumal Kanzler Gerhard Schröder dem Ball genauso ferngeblieben ist wie die CDU-Vorsitzende Angela Merkel. Und da Klaus Wowereit, Berlins Regierender, derzeit die Nase voll hat vom Feiern, steht Joschka auf der Knipsliste an Nummer Eins. Dass der Obergrüne solche Termine allerdings eher als Pflicht denn als Kür empfindet, daraus macht er keinen Hehl."Nach dem dritten Glas bin ich ein guter Tänzer"

2500 Gäste aus Medien, Politik, Kultur und Wirtschaft erleben das Top-Ereignis in einem neuen Outfit, und gerade deshalb in wunderbarem Flair: Viel luftiger und transparenter kommt der Ball dank einiger Dekotricks diesmal daher. 150 internationale Spitzenköche haben die Büffets in den Flanierhallen zusammengestellt; Pasta, Wiener Schnitzel, Tapas, 5000 Austern und 250 Enten werden serviert, zur späten Stunden gehen noch einmal 2000 Currywürste über die Theken - "ich esse immer drei", so Tagesthemen-Mann Ulrich Wickert. Für die durstigen Kehlen sind 1700 Flaschen Champagner und 3600 Flaschen Rot- und Weißwein bereit gestellt, dazu 6800 Liter Bier. "Ich freue mich auf den Ball und bin guter Laune", sagt Bundespräsident Horst Köhler zu Beginn. Als "Debütant" im Amt darf er den ersten Walzer tanzen. Um halb zwölf nachts zieht es ihn sogar noch einmal mit Gattin Eva Luise aufs Parkett. Anders als Fischer gehören Köhler und Frau zur "Spaßfraktion" auf dem Ball. Dazu zählt auch Ex-CDU-Fraktions-Vize Friedrich Merz, der sich die ein oder an- dere Zigarre gönnt: "Meine Frau und ich kommen regelmäßig hierhin", sagt der Sauerländer. Guido Westerwelle - mit gelber Fliege und Freund Michael Mronz - genießt den Auftritt ebenso: Sieben Minuten lang lässt er sich genüsslich fotografieren. "Nach dem dritten Glas Wein bin ich ein guter Tänzer", gibt Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt schelmisch zu Protokoll. Als Teppich-Queen enpuppt sich allerdings Grünen-Vorsitzende Claudia Roth: Zehn Minuten posiert sie auf dem roten Vorleger. Einsamer Grins-Rekord eines "Glanzlichtes". j.e.

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