Tag der Arbeit, Tag der Randale

BERLIN. Seit Jahren ähneln sich die Bilder: Geplünderte Läden, brennende Mülltonnen, zerstörte Autos, vermummte Demonstranten, Straßenschlachten. Der 1. Mai ist in Berlin nicht nur der Tag der Arbeit, sondern bislang auch der Tag der Randale gewesen.

7500 Polizeibeamte sollen nach Angaben von PolizeipräsidentDieter Glietsch in diesem Jahr in Berlin die befürchtetenMai-Krawalle verhindern. Doch schon in der Nacht zum Mittwochkönnte einiges auf die Beamten zukommen. Im Stadtteil PrenzlauerBerg liegt der Mauerpark, eine kleine, schmucklose Grünflächedirekt neben der Max-Schmeling-Halle. An warmen Abendenversammelt sich dort ein buntes Völkchen, es wird getrunken,gegrillt und musiziert. Im vergangenen Jahr kam es allerdings am30. April, der Walpurgisnacht, zu stundenlanger Randale. Und weilsich am Donnerstag letzter Woche im Mauerpark rund 200 MenschenAuseinandersetzungen mit der Polizei lieferten, "ist der Vorabendfür uns genauso heikel wie der 1. Mai", so PolizeipräsidentGlietsch. Kreuzberg ist der Bezirk, auf den die Behörden am Tag der Arbeit ihr Hauptaugenmerk richten. Und in dem die Anwohner ihre Fahrzeuge vorsorglich lieber woanders parken. Seit 1987 kämpfen hier am 1. Mai linke und autonome Gruppen heftig gegen die Polizei. An manchen Straßenecken sind heute noch vereinzelt Reste vergangener "Schlachten" zu sehen. In Kreuzberg deshalb, weil es nach wie vor Zentrum der alternativen Szene geblieben ist. Handelte es sich früher jedoch vor allem um politisch motivierte Krawalle, suchen viele der Täter nur noch das Abenteuer, den Spaß und den "Kick". Neben den Vermummten in schwarzer Kleidung findet man auf den Straßen viele mit Steinen bewaffnete Jugendliche oder Jugendbanden, häufig auch aus türkischen Familien. Seit Wochen schon geht die Polizei deshalb verstärkt mit ihren "Anti-Konflikt-Teams" durch die Schulen. Niemand in Berlin glaubt jedoch ernsthaft, dass in diesem Jahr die Nacht des 1. Mai in Kreuzberg friedlich verlaufen könnte, obwohl es laut Berliner Verfassungsschutz weniger offene Aufrufe zur Gewalt gibt als sonst. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) macht sich nicht allzu große Hoffnungen: "Bisher hat jeder Innensenator nach dem 1. Mai blass ausgesehen, und ich wage die Prognose, das wird auch 2003 nicht anders sein."

Berliner Polizei setzt auf Deeskalation

An der umstrittenen Deeskalationsstrategie der Polizei will der SPD-PDS-Senat - die CDU fordert das Abschreckungsprinzip - jedenfalls nichts ändern. "Das Konzept der ausgestreckten Hand hat sich bewährt", glaubt Polizeipräsident Glietsch. Dahinter verbirgt sich eine zurückhaltende Polizeipräsenz, ein Auftreten der Beamten etwa ohne Helm und Schlagstock - größere Einheiten mit Wasserwerfern und Räumfahrzeugen warten in den Seitenstraßen. Die Beamten sollen diesmal allerdings schneller dort sein, "wo Gewalt ausbricht". 2002 konnten Straftäter zum Teil ungehindert Geschäfte plündern oder Fahrzeuge anzünden. Die Bilder schockierten die gesamte Republik.

Insgesamt werden übrigens in ganz Berlin über 20 Demonstrationen stattfinden, darunter auch eine der NPD. Anwohner, Geschäftsleute und Bezirksverwaltung in Kreuzberg wollen sich wieder mit einem großen Straßenfest gegen die Gewalt in ihrem Stadtteil stemmen. Die Masse von möglichst vielen friedlichen Besuchern soll Gewalttäter aufhalten. Auf neun Bühnen werden 50 Künstler auftreten, darunter auch ein türkischer Popstar. Einige Kneipen und Geschäfte wollen nicht schließen und so die "Randale kaputt feiern".

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