Tag der düsteren Prophezeiungen

BERLIN. Die rund 20 Millionen Rentner in Deutschland sollten sich noch einmal kurz freuen: Denn so gut wie heute, so der Sprecher der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Walter Glanz, "wird es den Rentnern nie mehr gehen".

Mit den Stimmen der rot-grünen Koalition ist am Donnerstag im Bundestag das so genannte Renten-Notpaket beschlossen worden, das den Ruheständlern ab dem kommenden Jahr 17 Euro weniger Altersgeld einbringt. Für die Opposition sprach Rentenexperte Horst Seehofer (CSU) von einem "endlosen Trauerspiel". Tatsächlich kann keine Freude aufkommen, wenn die Rentnerinnen und Rentner in Deutschland nahezu täglich neue Hiobsbotschaften verkraften müssen. "Nie wieder eine echte Erhöhung"

Am Donnerstag war nicht nur der Tag der realen Rentenkürzung (durch den Beschluss einer Nullrunde im nächsten Jahr sowie die dauerhafte Belastung mit dem vollen Beitrag zur Pflegeversicherung), sondern auch der Tag der düsteren Prophezeiungen: Der CDU-Rentenpolitiker Andreas Storm unkte, in den nächsten Jahren werde es keine realen Rentenerhöhungen mehr geben. Noch drastischer formulierte es "Rentenpapst" Meinhard Miegel, Chef des Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft in Bonn: Nach Lage der Dinge werde es "nie wieder eine echte Rentenerhöhung" geben, erläuterte er im Gespräch mit unserer Zeitung. Ohne deutliche Erhöhung der Lebensarbeitszeit seien Rentensteigerungen "einfach nicht mehr möglich". Zudem müssten wirtschaftliche Wachstumsraten von mindestens zwei Prozent erreicht werden, um die Renten real erhöhen zu können. Damit sei in absehbarer Zeit aber nicht zu rechnen, sagte Miegel und wies darauf hin, "dass es seit 25 Jahren keine echte Rentenerhöhung mehr gegeben hat". Nach Berechnungen seines Instituts erhalte der "Eckrentner" des Jahres 2003 exakt die gleiche Kaufkraft wie der Rentner des Jahres 1978. Und weil das so ist, wettern nun der Sozialverband VdK und der Deutsche Gewerkschaftsbund parallel zur Opposition gegen die Rentenpläne der Bundesregierung, die neben der aktuellen Notoperation (Nullrunde, Pflegebeitrag, Reduzierung Schwankungsreserve, Auszahlung für Neurentner erst am Monatsende) auch einen "Nachhaltigkeitsfaktor" vorsehen. Der besagt, dass durch die zunehmende Zahl der Rentenempfänger der Rentenanstieg gedämpft wird. Dies passt weder VdK-Chef Walter Hirrlinger noch DGB-Vize Ursula Engelen-Kefer: Damit würden weitere Nullrunden und Rentenkürzungen provoziert, zumal schon beträchtliche Abschläge wegen der Riester-Rente (Modell der Privatvorsorge) zu erwarten seien. Engelen-Kefer forderte die Bundesregierung auf, den Nachhaltigkeitsfaktor von 2005 (geplant) auf "nach 2010" zu verschieben. Hirrlinger kündigte an, gegen die drohenden Minusrunden rechtliche Schritte einzuleiten. Beitragssatz bleibt vorerst bei 19,5 Prozent

Die schrille Begleitmusik zu dieser Entwicklung fand im Bundestag statt, als das Rentennotpaket in zweiter und dritter Lesung verabschiedet wurde, natürlich gegen die Stimmen der Opposition. Die Appelle und Mahnungen des SPD-Fraktionschefs Franz Müntefering ("Jeder Tag, den Sie sich verweigern, geht auf Ihr Konto!") verhallten ungehört. CSU-Sozialexperte Seehofer nutzte seinen Auftritt zur Generalabrechnung ("Diese Regierung hat die Rentenfinanzen total zerrüttet") und äußerte die Befürchtung, "dass wir hier in einem Jahr wieder stehen und über das Rentenloch des Jahres 2005 reden". Sozialstaatssekretär Franz Thönnes (SPD) rechnete vor, auch in Zeiten der Regierung Kohl (zu der Seehofer gehörte) seien die Rentenanpassungen viermal hinter der Inflationsrate zurück geblieben. Wie dem auch sei, eins ist immerhin gewonnen: Mit den Maßnahmen kann der Rentenbeitragssatz fürs erste bei 19,5 Prozent bleiben. Ohne den rot-grünen Reformeifer, so die Grünen-Fraktionsvorsitzende Krista Sager, würde er bei über 21 Prozent liegen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort