Tauwetter eingeleitet

BERLIN. Die frostigen Monate scheinen vorbei. Zwar sind die Differenzen zwischen den USA und Deutschland noch nicht beseitigt, ist der Ärger der Hauptakteure George Bush und Gerhard Schröder noch nicht verraucht; doch hat der Besuch des amerikanischen Außenministers Colin Powell in Berlin den Prozess der Annäherung eingeleitet.

Der Bundeskanzler, nach seiner gerade erst beendeten Asienreise noch etwas müde, wirkte wie auch Powell nach dem nur halbstündigen Gespräch im Kanzleramt reserviert. Beiden war anzusehen, dass sich die Verkrampfung des Verhältnisses noch nicht gelöst hat. Dem Vernehmen nach soll Schröder verschnupft reagiert haben, nachdem er am Morgen erfahren musste, dass Präsident Bush ausgerechnet den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) tags zuvor im Weißen Haus empfangen hatte. Zwar nur kurz und angeblich zufällig, aber offenbar doch gezielt. In der Umgebung des Kanzlers wurde dies prompt als "Provokation" gewertet. Üblicherweise empfängt der Präsident keine ausländischen Oppositionspolitiker, außer er ist Kanzler- oder Präsidentschaftskandidat. Schröder macht gute Miene zum bösen Spiel

Fraglos ist Bushs Verhalten Ausdruck seiner anhaltenden Verärgerung. Powell konnte dem Kanzler deshalb auch nicht die Botschaft übermitteln, dass der Präsident bereit sei, Schröder bei der 300-Jahr-Feier in St. Petersburg Ende Mai und beim G8-Gipfel in Evian (Frankreich) am 1. Juni zu einem Vieraugen-Gespräch zu treffen. Gleichwohl bemühte sich der Kanzler, halbwegs gute Miene zum nicht so guten Spiel zu machen. "Offen und ehrlich" habe man miteinander geredet, hieß es nachher. Die Höflichkeitsformeln, die beim Pressemeeting ausgetauscht wurden, wirkten jedenfalls angestrengt. Powell bedankte sich geschäftsmäßig für die "Gastfreundschaft" und meinte, man werde "eine Formel finden, wie wir in der Uno zusammen arbeiten können". Und Schröder sprach steif von einem "alles in allem freundschaftlichen Meinungsaustausch" über den er sich "gefreut" habe. Inhaltlich ging es um die neue Irak-Resolution, die eine Aufhebung der UN-Sanktionen gegen Irak zum Ziel hat. Strittig ist dabei die Rolle, die den Vereinten Nationen bei der Nachkriegsordnung im Irak zukommen soll. Die Bundesregierung ist prinzipiell bereit, die Sanktionen, "die keinen Sinn mehr machen" (Schröder), aufzuheben, will sich aber noch mit anderen Ländern abstimmen. Gleichzeitig deutete Schröder überraschend Deutschlands Bereitschaft an, sich in Afghanistan über das jetzige Maß hinaus engagieren zu wollen. Merklich lockerer gestaltete sich das anschließende Treffen Powells mit der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel, die der Außenminister in sein (hermetisch abgeschirmtes) Hotel in der Innenstadt gebeten hatte. Dabei sprach Powell offen an, dass die Differenzen im deutsch-amerikanischen Verhältnis noch nicht überwunden seien. Entspannt verlief auch das Arbeitsessen, zu dem Außenminister Joschka Fischer seinen Gast am Mittag in die Residenz des Außenamtes geladen hatte. Trotz des Zerwürfnisses ihrer Chefs war der Gesprächskontakt zwischen den beiden Ministern, die sich "Freunde" nennen, nie abgerissen. Schon deshalb war die Atmosphäre deutlich besser als am Morgen im Kanzleramt. Ein Kanzlerberater zog am Ende ein positives Fazit: Powells Besuch habe die Sprachlosigkeit zwischen Schröder und der US-Administration beendet und Tauwetter eingeleitet.

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