Tickende Bombe entschärft

BERLIN. Der triumphale Wahlsieg in Bayern liegt erst wenige Tage zurück - und ist schon kein Thema mehr in der Union. Dort drehte sich gestern alles um "Rebell" Friedrich Merz und die Wiederwahl der Fraktionsspitze.

Angela Merkel, die CDU-Parteichefin und Fraktionsvorsitzende der Union im Bundestag, freute sich gestern im Reichstag vor den Mikrofonen. Und zwar zunächst einmal auf die Sitzung ihrer Fraktion, wie sie zu Protokoll gab. Neben ihr stand ein anderer Strahlemann, der bayerische CSU-Chef und Wahlsieger vom Sonntag, Edmund Stoiber. "Ich freue mich auf eine überzeugende Wiederwahl von Frau Merkel", sagte dieser. So viel Freude trotz so viel Krachs. Jedenfalls passierte das, was der Bayer vorhergesagt hatte: Die CDU/CSU-Abgeordneten bestätigten ihre Vorsitzende mit 93,7 Prozent der Stimmen im Amt. Vor einem Jahr waren es noch 92,2 Prozent gewesen. Während Merkel und Stoiber vor der Wahl noch an den Türen des Fraktionssaals ihre Statements abgaben, sah man innen denjenigen von einem zum anderen Gesprächspartner marschieren, dem gestern die Aufmerksamkeit der Journalisten besonders sicher war: Vize Friedrich Merz, "Dauerrebell" und "tickende Bombe", um nur einige Schlagworte verärgerter Fraktionskollegen zu nennen. Was war geschehen? Der Nordrhein-Westfale hatte der Union am Montag urplötzlich das Triumphgefühl nach der gewonnen Bayernwahl "vermutlich aus persönlicher Eitelkeit", so ein Parlamentarier, kräftig vermasselt. "Der Tag hat uns geschadet", kommentierte der Parlamentarische Geschäftsführer der Union, Volker Kauder. Deshalb, weil Merz zunächst angekündigt hatte, wegen des Gesundheitskompromisses mit der Bundesregierung nicht mehr für das Amt des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden kandidieren zu wollen. Seine Bedenken waren der Parteispitze nicht neu, doch die derbe Reaktion überraschte die Unionsführung. In der Partei ist es allerdings kein Geheimnis, dass Merz seine Entmachtung als Fraktionschef vor einem Jahr nicht verwunden hat - und deshalb nach Ansicht von Parteifreunden ab und an zu "unsäglichen Alleingängen und Kurzschlusshandlungen" neigt. Spekuliert wird in den Reihen der C-Parteien zudem, der Mann aus NRW sei mit Stoibers triumphalen Sieg nicht klar gekommen. Denn dadurch habe Merz seine vielleicht noch vorhandene Hoffnung begraben müssen, aus einem möglichen Machtkampf zwischen Merkel und dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch als lachender Dritter hervorzugehen. Abgeordnete strafen Fraktions-Vize ab

Wie auch immer - während einer Krisensitzung in der Nacht zum Dienstag konnte der Sauerländer schließlich vom Fraktionsvorstand, von Merkel und nach einem Telefongespräch mit Stoiber umgestimmt werden. Hauptargument: Die Gesundheitsreform sei keine Gewissensfrage, der Fraktionsvize dürfe daher nicht die Gemeinsamkeiten aufs Spiel setzen. Zudem verwies Merkel auf den Zusammenhang zwischen der Übernahme einer Führungsaufgabe und der Zustimmung zum Gesundheitskompromiss. Für den Rückzug vom Rückzug, heißt es in der Union, sei jedoch auch der Ärger in der NRW-Landesgruppe über ihren Frontmann im Fraktionsvorstand entscheidend gewesen. Ein offenes Geheimnis ist es, dass sich der Sauerländer Hoffnungen auf eine Spitzenkandidatur für die CDU bei den Landtagwahlen in NRW 2005 macht. Er bedauere, so Merz gestern, dass die von ihm angestoßene Debatte in den CDU-Gremien an die Öffentlichkeit geraten und "daraus eine Personalfrage" geworden sei. Fehler wollte er allerdings nicht einräumen. Bei den Vorstandswahlen wurde der Vize deutlich abgestraft. Er erhielt nur 78 Prozent der Stimmen. Merkel hingegen geht mit ihrem Ergebnis klar gestärkt aus dem Streit hervor.

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