Toleranz stößt auf Pickel

PRÜM. "Deutschland erzieht mich, und ich find's lustig": Vor 800 Fans hat Daniel Küblböck am Freitagabend in Prüm am Rande des Eifel Literatur Festivals aus seinem Buch "Ich lebe meine Töne" gelesen.

Er hat unsere Nation gespalten, in solche, die ihn lieben und solche, die in hassen. Und das Ganze - zumindest behaupten das diejenigen, die ihn nicht mögen - völlig talentfrei. Ein Teil derer, die ihn mögen, bewundern und vergöttern, war am Freitagabend in Prüm. Dort hat Daniel Küblböck aus seinen Buch "Ich lebe meine Töne" vorgelesen und bereits im Vorfeld wieder das getan, was er immer macht: spalten. Jemand wie Küblböck habe auf einem Literaturfestival nichts verloren, behaupteten seine Kritiker, doch Josef Zierden, Leiter des Eifel Literatur Büros blieb konsequent, zog das durch, was ihm der Trierische Volksfreund eingebrockt hatte."Bist Du glücklich?"

Der TV hatte als Aprilscherz verkündet, Daniel Küblböck werde in Prüm auftreten, worauf Kartenanfragen aus ganz Deutschland beim Veranstalter eingingen. Zierden engagierte ihn daraufhin hin, und er kam. "Ich möchte Ihnen nicht sagen, wie toll die Literatur ist", sagt der ehemalige "Deutschland-sucht-den-Superstar"-Kandidat zu Beginn seiner Lesung, "sondern ich möchte Ihnen mein Leben nahe bringen". Dann liest er aus seinem Buch, liest vor, warum er so ist wie er ist, liest von seiner Mutter, die ihn nicht geliebt habe, von seinem Bruder und von Mitschülern, die ihn verprügelt hätten, erzählt vom ersten Mal mit einem Jungen und von einer besten Freundin, die ihn an die Bild-Zeitung verraten habe. "Haben Sie das Gefühl, dass Sie verstanden werden?", fragt ein Fan, "Was fühlst Du, wenn Du Dein eigenes Buch liest?", "Kann ich ein Autogramm haben?", "Bist Du glücklich?", wollen andere wissen. Daniel Küblböck beantwortet die Fragen. "Ich glaub' schon, dass ich eine gewisse Lebenslust verloren habe", sagt er und redet von einer Gesellschaft, die falsche Ansprüche an ihn stelle. "Ich denke, dass Deutschland zu viel von mir erwartet", sagt er und räumt ein, was viele längst vermuten: dass er keine Gesangsausbildung genossen hat. "Die Stimme ist so, wie sie mir von Gott gegeben ist", fügt er hinzu und erntet Applaus. "Ich mag Menschen, die nicht den geraden Weg gehen", sagt Küblböck-Fan Gitta, Fotografin aus Bochum. Sie ist braun gebrannt, irgendwo zwischen 40 und 50 und hat eine 83-jährige Mutter, die ebenfalls Daniel-Anhänger ist. Gitta leitet auf einer Daniel-Fanpage im Internet Diskussionsforen. "Wir sind kein Haufen von Schwachsinnigen", rechtfertigt sie ihr Engagement in der Fangemeinschaft, in der einige sogar promovieren würden. An ihrem Jacket steckt ein Button, darauf das Logo des Musiksenders Viva, das durchgestrichen ist. Der Jugendsender boykottiert Daniel Küblböck, und deswegen boykottieren die Freunde Daniels Viva. Fans lassen sich oft von ihren Emotionen leiten, vor allem die von Küblböck."Gefühle finden in Deutschland nicht statt"

"Gefühle finden in Deutschland nicht statt", sagt Volker Wessling aus Aalen, "und Daniel zeigt sie im Übermaß". Es gehe nicht darum, "Daniel zu erheben. Er ist noch verdammt jung und muss noch viel lernen", sagt der Mann aus Aalen, der mit Gitta und rund weiteren 300 Erwachsenen dafür sorgt, dass der Altersschnitt der Veranstaltung nicht bei 12 bis 14 Jahren hängen bleibt. Es gehe um Toleranz, erklärt er, für die Daniel Küblböck kämpfe und für die sich seine Fans stark machen würden. Toleranz, die nach der Veranstaltung während der Autogrammstunde auf die Probe gestellt wird. Mehrere Hundert stehen an, nur vergleichsweise wenige bekommen ein Autogramm, weil sich noch weniger an die Regel halten. Veranstalter Josef Zierden appelliert an die Vernunft, findet sie aber nur bedingt bei den 13- oder 14-jährigen Mädchen, also denjenigen, denen es nicht um den "geraden Weg" oder "Toleranz" geht, sondern schlicht und ergreifend um "Daaanieel". Ihnen reicht die Widmung im Buch nicht. Sie wollen fotodokumentierte Umarmungen. So wird an diesem Abend wieder gespalten - wenn auch nur innerhalb der Fangemeinschaft. In "Faniels", die ein Autogramm haben, und solche, die keines haben, weil sie zu tolerant waren

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