Trierer Fernsehpfarrer wegen Begräbnis in der Kritik

Ehemalige Schüler von Einrichtungen des Jesuiten-Ordens haben in einem offenen Brief den Rücktritt des Trierer Fernsehpfarrers Stephan Wahl gefordert. Begründung: Der Priester habe die Beerdigung eines mit Missbrauchsvorwürfen konfrontierten Jesuitenpaters geleitet. Der Fernsehpfarrer spricht von "abstrusen Vorwürfen".

Trier. Neben dem Trierer Bischof Stephan Ackermann ist kein katholischer Priester aus dem Bistum Trier so häufig im Fernsehen zu sehen wie Monsignore Stephan Wahl. Der 50-jährige Geistliche gehört seit elf Jahren zum Sprecherteam des samstäglichen "Worts zum Sonntag", ist inzwischen sogar der dienstälteste unter den acht katholischen und evangelischen Fernsehpredigern; einer der beliebtesten obendrein, wie die zahlreichen Zuschauerrückmeldungen zeigen.

Auch im Bistum Trier machte der gebürtige Bonner Karriere: Der damalige Bischof Reinhard Marx berief Wahl im Jahr 2003 in die Bistumsleitung und ernannte ihn zu seinem Kommunikations chef. Das ist Stephan Wahl immer noch.

Nun wird erstmals öffentlich Kritik an dem katholischen Priester laut. In einem offenen Brief, der unter anderem an den Trierer Bischof Stephan Ackermann und den ARD-Vorsitzenden Peter Boudgoust adressiert ist, fordert ein Sprecher der Missbrauchsopfer-Organisation "Eckiger Tisch" (siehe Extra) die Absetzung Wahls als "Wort zum Sonntag"-Sprecher. Der Hintergrund: Stephan Wahl soll Ende Juli "maßgeblich an den Beerdigungsfeierlichkeiten" eines unter Missbrauchsverdacht stehenden Jesuitenpaters mitgewirkt haben. Der Ex-Schulleiter am Bonner Aloisius-Kolleg war im Alter von 82 Jahren gestorben.

Zwar hätten auch mutmaßliche Täter das Recht auf eine christliche Beerdigung, schreibt Opfer-Sprecher Engelbert Decker in dem offenen Brief. "Aber wo sind etwa die Gesten der Solidarisierung mit den Opfern?" Zudem habe Stephan Wahl als Sprecher einer renommierten Sendung "eine besondere Verantwortung der Öffentlichkeit gegenüber".

Fernsehpfarrer Wahl sagte am Freitag unserer Zeitung, auf Einladung der Jesuiten die Beerdigung des Paters übernommen zu haben. Als langjähriger Schüler des Aloisius-Kollegs habe er zu dem ehemaligen Schuldirektor eine besondere Beziehung gehabt: "Er war mein geistiger Mentor", sagt Wahl, "hat später auch die Predigt bei meiner Primiz gehalten." Von sexuellen Übergriffen des Jesuitenpaters habe er "nie etwas mitbekommen", sagt der Fernsehpfarrer, "aber ausschließen kann ich das auch nicht".

Den Vorwurf, sich nicht mit den Missbrauchsopfern solidarisiert zu haben, nennt Wahl "abstrus": "Ich stehe auf der Seite der Opfer und unterstütze den Kurs der radikalen Aufklärung." Einen Grund zum Rücktritt sieht der 50-Jährige nach eigenen Angaben nicht.

Rückendeckung bekommt der Fernsehpfarrer auch vom Hauptadressaten des offenen Briefs, Triers Bischof Stephan Ackermann (47), der zugleich auch Missbrauchsbeauftragter der deutschen Bischöfe ist. "Ich sehe, völlig ungeachtet der möglichen Verfehlungen des Jesuitenpaters, keinen Grund, warum Monsignore Wahl das Begräbnis nicht hätte vornehmen sollen", sagte Ackermann gestern unserer Zeitung. Tote zu begraben sei ein Werk der Barmherzigkeit, das niemand verwehrt werden könne.

Und was sagt die ARD, die das "Wort zum Sonntag" ja schließlich ausstrahlt? "Wir sind nicht zuständig", sagt eine ARD-Sprecherin unter Verweis auf den bei der Deutschen Bischofskonferenz angesiedelten Verantwortlichen.

Die nächste Sendung des Päpstlichen Ehrenkaplans Stephan Wahl ist indes bereits terminiert. Nachdem er wegen einer Erkrankung mehrere Monate nicht mehr auf dem Bildschirm zu sehen war, wird der dienstälteste Fernsehpfarrer im November wieder das "Wort zum Sonntag" sprechen. extra Aloisius-Kolleg: Nach einem Bericht der Missbrauchsbeauftragten des Jesuiten-Ordens sollen sich zwischen 1946 und 2005 sechs Patres der Bonner Schule an Schülern vergangen haben. Einige der über 30 Missbrauchsopfer haben sich mit Geschädigten anderer Jesuiteneinrichtungen in einem Forum "Eckiger Tisch" organisiert. (sey)

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