Tritt vors Schienbein

TRIER. Mit der Einstellung durch die Staatsanwaltschaft dürfte die "Überstunden-Affäre" im Trierer Rathaus politisch ausgeköchelt haben. Auf juristischer Ebene geht die Auseinandersetzung vorerst weiter.

Als Edgar Meyer im Juli 2004 in den Ruhestand verabschiedet wurde, war die Welt noch in Ordnung. "Herr der Zahlen" titulierte ihn respektvoll der Trierische Volksfreund, quer durch die Fraktionen lobte man den Finanzexperten für die Millionensummen, die sein cleveres Management der Stadt eingebracht hatte. Da schienen die 50 000 Euro Überstunden-Abgeltung, die ihm sein Chef, Oberbürgermeister Helmut Schröer, mit in die Pension gab, durchaus angemessen. Schließlich hatte der OB die Überstunden jahrelang selbst angeordnet, die Personalabteilung äußerte keine Einwände und Meyer hatte längst nicht alle seiner 5300 Extra-Arbeitsstunden berechnet. Doch ein halbes Jahr später flog die Sonderzahlung den Beteiligten kräftig um die Ohren. Die ADD befand auf Nachfrage von SPD-Fraktionschef Friedel Jaeger, das Beamtenrecht lasse das Aufsummieren und Auszahlen von Überstunden allenfalls in besonderen Notsituationen zu - etwa bei der Feuerwehr. Im Fall Meyer aber sei die Zahlung eindeutig rechtswidrig. Der TV griff das Thema auf, im Stadtrat war man sauer, dass der OB die Fraktionen nicht unterrichtet hatte. Und dann trat die Staatsanwaltschaft auf den Plan, leitete ein Ermittlungsverfahren wegen Untreue ein. Prompt geriet die Sache endgültig zum Politikum. Die Grünen forderten gar, der OB möge sein Amt bis zum Ende des Verfahrens ruhen lassen. Im Rathaus grummelte es vernehmlich, besonders bei anderen Amtsleitern, die trotz ähnlichen Überstundenpensums nicht in den Genuss vergleichbarer Angebote gekommen waren. Die SPD hielt Schröer "Gutsherren-Manieren" vor, die CDU befand hingegen, ihr Stadtoberhaupt habe "aus kaufmännischer Sicht genau das Richtige getan". Derweil gestaltete sich das Ermittlungsverfahren zäher als gedacht. Dabei hatte sich früh abgezeichnet, dass der Oberbürgermeister eine Verfahrenseinstellung gegen Auflage akzeptieren würde - ohne Schuldanerkenntnis. Schadensbegrenzung lautete die Devise; im Zweifelsfall lieber einen kleinen Tritt vors Schienbein akzeptieren als ein langwieriges Verfahren mit ungewissem Ausgang zu riskieren. Auch gegenüber dem Rat räumte Helmut Schröer - selten genug - ausdrücklich einen Fehler ein.OB als Zeuge vor Gericht?

So hätte die Staatsanwaltschaft das Verfahren zügig abhaken können, nachdem man zu der Auffassung gelangt war, das Verschulden bewege sich im Bagatell-Bereich. Aber der inzwischen tief verärgerte Edgar Meyer mochte keinen Kompromiss eingehen. An seiner Leistung besteht bis heute kein Zweifel, selbst die Staatsanwaltschaft bestätigt ihm große Verdienste gegenüber der Stadt und die reale Existenz der Überstunden. Dass er für die Verfahrens-Einstellung eine Auflagenzahlung leisten soll, war ihm nicht nahe zu bringen. So wird nun das Verfahren gegen ihn weiter geführt. Mag sein, dass der Staatsanwalt es nach weiteren Ermittlungen und angemessener Anstandsfrist ohne Auflagen einstellt. Falls nicht, kommt es zu einem Strafverfahren. Dann müsste der OB wohl doch vor Gericht - wenn auch nur als Zeuge.

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