Trümmer als Werbung: Ärger für George Bush

Washington. Mit Patriotismus Wähler gewinnen - in diesem Fall ging das für US-Präsident George W. Bush nach hinten los.

Rauchende Trümmer des World Trade Center. Und Feuerwehrmänner, die einen mit der US-Nationalflagge bedeckten Leichnam aus den Ruinen tragen. Diese Szenen sind der Hintergrund für zwei von drei jeweils 30 Sekunden langen Werbebotschaften, mit denen US-Präsident George W. Bush in dieser Woche den Fernseh-Wahlkampf eröffnet hat. Die Nachricht Bushs an die Bürger soll lauten: Ich habe in schwierigsten Zeiten die Herausforderungen gemeistert. Doch die gemischten, teilweise an heftige Empörung grenzenden Reaktionen der amerikanischen Öffentlichkeit zeigen, dass Bush damit auch den Fuß ins erste große Fettnäpfchen des Präsidentschafts-Wahljahres gesetzt hat. "Das ist ein Schlag ins Gesicht", zitiert die "New York Daily News" die Witwe eines Opfers der Terroranschläge. Und auch David Portorti, dessen Bruder Jim im Alter von 52 Jahren beim Einsturz der Wolkenkratzer ums Leben kam, zeigt sich gegenüber Reportern wütend: "Unsere Nachricht an alle Politiker lautet: Finger weg von Ground Zero." Portorti, der mit Familien anderer bei den Attacken Getöteter eine Interessenvereinigung gebildet hat, wirft Bush aber nicht nur ein Ausschlachten der Tragödie für politische Werbezwecke vor, sondern auch Geheimniskrämerei: "Warum hat unser Präsident bis heute keine ehrliche Bereitschaft gezeigt, bei der Aufklärung der Geheimdienst-Pannen vor dem 11. September 2001 mitzuhelfen?", fragt Portorti. Bush sträubte sich lange gegen einen persönlichen Auftritt vor der einberufenen Untersuchungs-Kommission - und erklärte erst in der vergangenen Woche, er und Vizepräsident Dick Cheney würden nur den beiden Ausschuss-Vorsitzenden maximal 60 Minuten für Fragen zur Verfügung stehen. Auch Sprecher von Feuerwehren, die 343 Mitglieder im World Trade Center verloren hatten, attackierten die Werbeaktion. "Bush stützt sich auf die größte Katastrophe in der Geschichte unseres Landes, um Sympathien für seine Wahlkampagne zu gewinnen", sagt Harold Schaittenberger, Präsident der Internationalen Feuerwehr-Vereinigung.Zehn Millionen Dollar für Fernseh-Spots

Doch im Weißen Haus beharrt man darauf, mit den umstrittenen Fernsehspots keine Grenzlinie überschritten zu haben, und will deren Ausstrahlung fortsetzen. Die Aufnahmen seien eine "taktvolle Erinnerung" daran, was das Land in den vergangenen Jahren durchgemacht habe - und dass Präsident Bush das Land stärker und sicherer gemacht habe, sagt Bush-Beraterin Karen Hughes. Auch der frühere New Yorker Bürgermeister und Bush-Parteifreund Rudolph Giuliani wurde zur Verteidigung bemüht. "Die Führungsqualitäten des Präsidenten in der Zeit nach den Anschlägen sind doch ein zentraler Punkt seiner Bilanz im Kampf gegen den Terror", sprang Giuliani dem Texaner zur Seite. Alle nun ausgestrahlten Fernsehspots enthalten eine zentrale eingeblendete Aussage Bushs: "Beständige Führung in wechselhaften Zeiten." Eine Botschaft, die auch First Lady Laura mit einem Werbe-Auftritt unterstützt - und ihrem Ehemann bestätigt, "die Stärke und den Charakter für schwierige Zeiten" zu haben. In den kommenden Wochen wollen die Republikaner mehr als zehn Millionen Dollar ausgeben, um die Spots auf den wichtigsten Kanälen zu zeigen.

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