Türkei-Aufenthalt? Nein, danke!

Trier · Die Stimmung zwischen Ankara und Berlin kühlt weiter ab. Nicht nur deutsche Urlauber reisen lieber in andere Länder. Auch Studierende der Region zieht es nicht mehr an den Bosporus.

Die Türkei-Äußerungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihrem SPD-Herausforderer Martin Schulz im Fernseh-Duell sind bei der türkischen Regierung auf scharfe Kritik gestoßen. Dass die deutsche Politik sich "dem Populismus und der Ausgrenzung" beuge, schüre Diskriminierung und Rassismus, sagte ein Sprecher von Staatspräsident Erdogan. Deutschland verteidige nicht die Demokratie, sondern "Terroristen und Putschisten".

SPD-Chef Schulz erneuerte gestern seine Ankündigung, sich als Kanzler für ein Ende der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei einzusetzen. Er warf Erdogan zudem vor, "eine Art Säuberungswelle" gestartet zu haben. Die Kanzlerin hatte im Fernsehduell angekündigt, den wirtschaftlichen Druck auf Ankara zu erhöhen, um die Freilassung der aus politischen Gründen in dem Land inhaftierten Deutschen zu erreichen.

Gestern wurde eine der beiden vergangene Woche auf dem Flughafen des Urlaubsorts Antalya festgenommenen Deutschen wieder freigelassen. Nach Recherchen des Westdeutschen Rundfunks handelt es sich um die Frau eines rheinland-pfälzischen Unternehmer-Paars mit türkischen Wurzeln. Die Türkei hält das Ehepaar angeblich für Anhänger der Gülen-Bewegung, die für den Putschversuch im Juli 2016 verantwortlich gemacht wird. Nach Regierungsangaben sitzen derzeit 55 Deutsche in türkischen Gefängnissen, davon elf aus politischen Gründen.

An den Sicherheitshinweisen des Auswärtigen Amts hat sich seit Juli nichts geändert. Darin werden Reisende unter anderem auf die Gefahr hingewiesen, dass sie in der Türkei ohne Angabe von Gründen festgesetzt werden könnten. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte zuletzt indirekt vor Türkei-Reisen gewarnt, indem er sagte: "Man kann das nicht mit gutem Gewissen machen zurzeit." Der Tourismus ist nach Expertenangaben bereits stark zurückgegangen.

Derweil hinterlassen die sich weiter verschlechternden deutsch-türkischen Beziehungen auch im Wissenschaftsbetrieb ihre Spuren. Nach Angaben des Deutschen Akademischen Austauschdienstes ist die Zahl der im Rahmen des EU-Förderprogramms Erasmus in der Türkei Studierenden zuletzt deutlich zurückgegangen - von 6600 Studenten vor drei Jahren auf 2260 im vergangenen Jahr. Laut einem Sprecher des Mainzer Wissenschaftsministeriums pflegen nahezu alle rheinland-pfälzischen Hochschulen Beziehungen in die Türkei, die derzeit nach übereinstimmenden Angaben beeinträchtigt seien. Allein die Universität Trier hat mit zehn türkischen Hochschulen Kooperationsvereinbarungen. Nach Angaben von Uni-Sprecher Peter Kuntz hat die Türkei bei Trierer Studierenden als Zielort für ein Auslandssemester "deutlich an Attraktivität eingebüßt". Als Hauptgrund würden die politischen Veränderungen in dem Land genannt. Nachdem in den zurückliegenden Jahren immer zwischen neun und zwölf Trierer Studierende zum Auslandsaufenthalt in die Türkei gingen, ist es im Wintersemester 2017/2018 gerade noch ein Student. Bei der Trierer Hochschule heißt es, dass die Kooperationen zu türkischen Hochschulen "trotz der politischen Spannungen weiterhin funktionieren".

Der Mainzer Wissenschaftsminister Konrad Wolf sagte unserer Zeitung, er sei "sehr besorgt über die staatlichen Repressionen gegen Angehörige des türkischen Hochschulsystems". Wissenschaftliche Freiheit und ein offener, kritischer Diskurs seien Grundvoraussetzungen für ein demokratisches Gemeinwesen und für das gesamte Hochschulwesen.

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