US-Falken suchen neue Jagdreviere

WASHINGTON. Die Nachbarn des Irak sind alarmiert: In Washington verdichten sich nach dem Fall des Hussein-Regimes die Hinweise auf eine harte Gangart gegenüber Syrien und dem Iran.

US-Außenminister Colin Powell bemühte sich gestern umBeruhigung. Die jüngsten Äußerungen aus dem Bush-Kabinett würdennicht bedeuten, dass "der Krieg auch in diese Länder kommt".Gemeint waren damit Syrien und der Iran, die in zunehmenden Maßeunter verbalen Beschuss von US-Verteidigungsminister DonaldRumsfeld geraten sind. Hatte der Pentagon-Chef vor Wochenfristnoch Syrien vorgeworfen, mit der Lieferung von militärischemGerät das Regime im Irak zu unterstützen, so hatte er am Mittwochneue Anschuldigungen nachgelegt: Syrien helfe offenbar, soRumsfeld, den Überresten des irakischen Regimes dabei, das Landzu verlassen und beherberge diese dann auch. Der Iran zog sichebenfalls den Zorn des Verteidigungsministers zu, weil von dortnach US-Erkenntnissen dem Irak freundlich gesinnte Rebellen indas Land eingesickert seien. Während Colin Powell gestern darauf hinwies, dass der "militärische Werkzeugkasten" nicht das einzige Mittel der amerikanischen Politik sei, haben jedoch "Falken" in der US-Regierung und deren ideologische Berater Syrien offenbar bereits zum nächsten Jagdrevier erklärt. Das US-Nachrichtenmagazin "Time" bestätigte jetzt in seiner jüngsten Ausgabe, die Frage einer auf militärischem Wege durchgesetzten Demokratisierung Syriens und des Iran sei derzeit Bestandteil einer "lebendigen Diskussion" innerhalb der Regierung. Dies bestätigt auch der republikanische Senator Sam Brownback, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses auf dem Kapitol: "Die Geister scheiden sich derzeit daran", so Brownback, "ob wir die Vision eines demokratischen Nahen Ostens weiter intensiv verfolgen oder dem Wunsch einiger Staaten in dieser Region folgen, den Status Quo beizubehalten."

Zwar plädiert in Washington derzeit noch kein Regierungsmitglied in aller Öffentlichkeit für einen Krieg gegen Syrien oder den Iran. Doch vor allem Syrien - und nicht die Überreste des Regierungs-Regimes - werden innerhalb des Bush-Kabinetts als größte Gefahr für eine erfolgreiche Demokratisierung des Nachkriegs-Irak angesehen. Damaskus unterstütze angeblich nach Kräften das Einsickern islamischer Extremisten, deren einziges Ziel das Verüben von Selbstmordanschlägen gegen US-Truppen und Repräsentanten einer Übergangsregierung sei. Ein weiterer verbaler Warnschuss war in dieser Woche vom US-Staatssekretär für Rüstungsfragen, James Bolton, abgefeuert worden. Er hoffe, dass Syrien, der Iran und Nordkorea die richtigen Lehren aus dem Irak-Krieg ziehen würden, so Bolton. Er zählt neben US-Vizepräsident Dick Cheney und Donald Rumsfeld zu den Mitbegründern des 1997 ins Leben gerufenen "Projekts für ein neues amerikanisches Jahrhundert" (PNAC). Das PNAC-Statut sieht als wichtigstes Ziel "Amerikas globale Führerschaft" vor, wobei die Kontrolle der Golfregion und die Fähigkeit zur gleichzeitigen Führung von mehreren großen Kriegen als wichtige politische Prinzipien angesehen werden.

US-Vizepräsident Dick Cheney hatte in dieser Woche betont, die USA müssten "alle notwendigen Schritte ergreifen", um Nationen zu konfrontieren, die aktiv den Terrorismus unterstützen. "Wir haben die Fähigkeit und den Willen, Krieg gegen den Terror zu führen und ihn auch zu gewinnen." Geht es nach Frank Gaffney, der den früheren US-Präsidenten Ronald in Fragen der Verteidigungspolitik beriet und der heute das private "Zentrum für Sicherheitspolitik" - eine konservative Denkfabrik - in Washington leitet, sollte die Bush-Regierung energisch einen Regimewechsel in Syrien und dem Iran anstreben und dabei auch als letzte Option militärische Macht nicht ausschließen.

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