Ude: "Ich warne vor Hysterie"

MÜNCHEN/BERLIN. Der Präsident des deutschen Städte-tages, Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD), warnt davor, angesichts der Finanzknappheit der Kommunen jetzt westdeutsche und ostdeutsche Städte gegeneinander auszuspielen. Der Zustand der Infrastruktur in den Kommunen sei nicht so, dass "Leib und Leben der Menschen gefährdet ist", sagte Ude gegenüber unserer Zeitung.

Herr Ude, wie marode sind die Städte wirklich? Ude: Die deutschen Städte insgesamt sind selbstverständlich nicht annähernd so marode, wie man in Anbetracht der aktuellen Diskussion vielleicht vermuten könnte. Insofern kann ich vor Hysterie nur warnen: Es ist nicht so, dass flächendeckend Zustände herrschen, die Leib und Leben der Menschen in den Städten gefährden. Klar ist aber, dass aufgrund der bundesweit herrschenden Finanznot die kommunale Investitionstätigkeit und der Bauunterhalt massiv zurückgefahren werden mussten. Das kann selbstverständlich nicht ohne Folgen für den Zustand der städtischen Infrastruktur bleiben. Die Investitionen in die Infrastruktur sind aber gegenüber 1992 bundesweit um 40 Prozent gesunken. Wo liegen die Ursachen? Ude: Der alarmierende Verfall der Investitionen in Ost und West ist die augenfälligste Konsequenz der anhaltenden Finanzkrise der deutschen Städte und Gemeinden. Letztlich gehören die Investitionen zu den wenigen Ausgabeposten in den städtischen Haushalten, die relativ kurzfristig reduziert werden können, da zahlreiche andere Ausgaben auf bundes- oder landesrechtlichen Vorgaben beruhen und von den Städten daher nicht beeinflusst werden können. Fließt zu viel Geld in den Osten, wie manch einer behauptet?Ude: Nach Abschluss der Verhandlungen über den Solidarpakt II hat der deutsche Städtetag, auch mit den Stimmen der Vertreter westdeutscher Städte, einhellig begrüßt, dass die Solidarpaktleistungen für die neuen Länder und ihre Kommunen auch nach 2004 langfristig und auf hohem Niveau fortgeführt werden. Damit haben die Städte dem Umstand Rechnung getragen, dass in vielen ostdeutschen Städten nach wie vor Nachholbedarf im Hinblick auf die Infrastruktur bestand. Solange viele ostdeutsche Städte in ihrer Steuerkraft noch nicht einmal die Hälfte des Westniveaus erreichen, dürfte kaum ein Zweifel daran bestehen, dass sie auch weiterhin auf Hilfe angewiesen sind. Gleichwohl hat der Städtetag schon im Jahr 2000 darauf hingewiesen, dass Hilfsbedürftigkeit und Förderwürdigkeit nicht allein von geografischen Gegebenheiten abhängen dürfen. Die Politik fordert jetzt ein Sonderprogramm West. Was halten Sie davon?Ude: Wir halten jedenfalls nicht viel davon, in populistischer Weise West gegen Ost gegeneinander aufzubringen oder gar gegeneinander auszuspielen. Fakt ist: In Ost und West haben die Kommunen gravierende Finanzprobleme, die letztlich nur mit einer nachhaltigen Gemeindefinanzreform überwunden werden können. Immerhin ist es erfreulich, dass die Gewerbesteuer nach den beispiellosen Einbrüchen nach dem Jahr 2000 in den vergangenen beiden Jahren in vielen Städten, leider nicht in allen, wieder zugelegt hat. Trotzdem sind insbesondere die strukturschwachen Städte noch meilenweit davon entfernt, neue Investitionsspielräume zu gewinnen. Wie muss die Infrastrukturförderung von Bund und Ländern neu ausgerichtet werden?Ude: Selbstverständlich ist die Infrastrukturförderung von Bund und Ländern wichtig, aber angesichts der eigenen Haushaltsprobleme von Bund und Ländern sollte man hier keine Wunderdinge erwarten. Der wahre Schlüssel liegt in einer Gemeindefinanzreform, die bei Einnahmen und Ausgaben der Städte ansetzt und den Städten wieder den dringend notwendigen Spielraum für Investitionen verschafft. Kurzfristig sollte die Investitionskraft der Städte dadurch gestärkt werden, dass ihre Haushalte durch die steuerlichen Maßnahmen der Koalition insgesamt spürbar entlastet werden. Nach den Schätzungen des Bundesfinanzministeriums ist das jedoch bis 2008 nicht der Fall. d Die Fragen stellte unser Korrespondent Hagen Strauss.

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