Übergangsregierung schon in der nächsten Woche?

Washington. "Wir werden jetzt Zeit brauchen, um die Kontrolle über Bagdad zu gewinnen." So beschrieb gestern US-General Vincent Brooks die Situation für die Kriegs-Koalition nach der Einnahme des Internationalen Saddam-Flughafens.

Es deutet sich an, was auch Generalstabschef Richard Myers schonam Vorabend hatte durchblicken lassen: Man will offenbar nichtmit allen verfügbaren Kräften sofort den hochgefährlichenStraßenkampf aufnehmen, sondern den Flughafen zu gezieltenKommando-Aktionen wie der Suche nach hochrangigenRegierungsmitgliedern oder Massenvernichtungswaffen nutzen - undvor einem breitgefächerten Einmarsch auf den lange erhofften"Umsturz von innen" setzen. EU-Staaten hegen weiter Bedenken

Einen wesentlichen Beitrag zu diesem Ziel erhofft sich das US-Verteidigungsministerium von der schnellen Bildung einer Übergangsregierung in Bagdad. Die derzeit von Pentagon-Chef Donald Rumsfeld favorisierte Strategie - von Generalstabschef Myers bereits angedeutet - sähe vor, noch vor einem Ende der Kampfhandlungen und notfalls auch vor einer Klärung des Verbleibs von Saddam Hussein und seinen Söhnen in einem militärisch gut gesicherten Gebäude in Bagdad jene Männer und Frauen die Arbeit aufnehmen zu lassen, die vom Verteidigungsministerium für die vorübergehende Verwaltung des Irak ausgewählt worden sind. Dies könnte, wie gestern zu erfahren war, schon im Laufe der kommenden Woche geschehen und würde auch mit der von Außenminister Colin Powell bei seinem Brüssel-Besuch verkündeten Absicht in Einklang stehen, die Kriegsparteien eine führende Rolle in einer Übergangsphase spielen zu lassen. Realisiert Rumsfeld seinen Plan, von dem sich das Pentagon ein deutliches Signal an die Bevölkerung für den Beginn einer neuen Epoche im Irak erhofft, geschähe dies gegen die Bedenken der EU-Staaten, die weiter auf eine führende Rolle der Vereinten Nationen pochen. Fraglich wäre auch, wie Großbritannien auf ein derart einseitiges Vorgehen reagieren würde, nachdem auch Tony Blair eine stärkere Berücksichtigung der Uno in Fragen des Übergangs und Neuaufbaus im Irak wünscht.

Die rasche Einsetzung einer solchen temporären Verwaltung gäbe allerdings US-Präsident George W. Bush die Gewissheit, mit seinem Wiederaufbau-Plan in der Zeit zu liegen. Dieser Plan sieht - wie sich aus vorbereiteten Verträgen mit potenziellen Firmen zur Reparatur der Infrastruktur ergibt - eine Rekonstruktion von Regierungsgebäuden, wichtigen Straßen, Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen innerhalb von nur zwölf Monaten vor. Auch erhofft man sich eine rasche Verbesserung der humanitären Hilfsaktionen. In Kuwait sitzen derzeit die Mitglieder der Übergangsregierung auf gepackten Koffern: Nach wochenlangen Planungen können sie innerhalb weniger Stunden eingeflogen werden und ihre provisorischen Büros am Stadtrand von Bagdad beziehen.

Der "Kern" dieser Verwaltung soll vom früheren US-General Jay Garner geleitet werden, der in der Übergangsphase alle nichtmilitärischen Aktivitäten im Irak koordinieren soll und den Erfolg seiner Arbeit nach eigenen Worten daran abmessen will, wie schnell ihm eine Übergabe der Gesamtverantwortung in irakische Hände gelingt. Garner machte sich 1991 während des ersten Golfkriegs vor allem einen Namen im Nordirak, wo er den Schutz kurdischer Flüchtlinge durch US-Truppen nach einer irakischen Gegenoffensive koordinierte.

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