Undurchsichtiger Dreikampf

Weder Ampel noch Jamaika: Grüne, Linke und Liberale haben nichts für neue Bündnisse außerhalb der klassischen Lager-Theorie übrig. Das machten sie knapp zwei Wochen vor der Bundestagswahl in einem "Dreikampf" im Fernsehen klar.

Berlin. Was hatten sie über das "Kanzlerduell" im Fernsehen gelästert: Eine "öffentliche Kabinettsitzung" sei das gewesen, ein "Beitrag zur Senkung der Wahlbeteiligung", tönte es einhellig aus den Oppositionsparteien. Knapp 24 Stunden später traten ihre Spitzenleute selbst vor die Fernsehkameras, um einen "Dreikampf" auszutragen. Der war zweifellos viel munterer und unterhaltsamer als die Schmuserunde des schwarz-roten Führungsduos Merkel & Steinmeier. Wer sich Aufschluss darüber erhoffte, wie die drei "Kleinen" der Großen Koalition den Garaus machen wollen, sah sich allerdings getäuscht. Von gemeinsamen Bündnissen jenseits der klassischen Lagertheorie mochten Guido Westerwelle (FDP), Jürgen Trittin (Grüne) und Oskar Lafontaine (Linke) nichts wissen.

In den Umfragen kommen die drei Oppositionsparteien zusammen auf fast 40 Prozent der Wählerstimmen. Doch das Potenzial liegt weitgehend brach, weil die eine (FDP) kategorisch ausschließt, was die andere (Grüne) vielleicht doch in Erwägung zieht und die dritte (Linke) gar nicht erst anzusprechen braucht. Am einfachsten hatte es Oskar Lafontaine. Der Linksparteichef, der heute seinen 66. Geburtstag feiert und gern als politischer Raufbold auftritt, gab sich diesmal ungewöhnlich sanft und sachorientiert. Seine Botschaft: Wir würden ja gern regieren, aber mit uns will ja niemand. Deshalb hätten entsprechende Journalisten-Fragen für ihn auch schon ein gerüttelt Maß an "Ironie", so Lafontaine.

Bei Jürgen Trittin liegen die Dinge komplizierter. Kürzlich hatte er die Öffentlichkeit mit der Mitteilung überrascht, im Falle unklarer Mehrheiten nach der Wahl auch mit Union und Liberalen Gespräche zu führen. Dabei gibt es einen grünen Parteitagsbeschluss, der ein schwarz-gelb-grünes Jamaika-Bündnis kategorisch ausschließt. Vor den Kameras der ARD schwor Trittin nun hoch und heilig: "Der Dampfer nach Jamaika wird nicht ablegen". Als "Steigbügelhalter" für Schwarz-Gelb stünden die Grünen "nicht zur Verfügung". Offenkundig vorstellbar, aber unrealistisch ist für Trittin dagegen ein Zweier-Bündnis mit der Union. Dafür müsse seine Partei aber "18 Prozent" auf die Waage bringen, gab er zu bedenken. An solche Traumwerte glaubt man in der grünen Führungsetage genauso wenig wie an eine Neuauflage der Regierungsehe mit der SPD.

"Wir wissen doch alle, dass es für Rot-Grün rechnerisch nicht reicht", hatte Trittins Co-Spitze Renate Künast schon vor dem ARD-Dreikampf verkündet.

Rein rechnerisch droht auch Guido Westerwelle Ungemach. Was passiert, wenn es für seine schwarz-gelbe Wunschkonstellation nicht reicht, wurde er in der Sendung gefragt. "Dann haben sich die Wähler für eine linke Mehrheit entschieden", konterte Westerwelle trocken. Demnach wäre der Oberliberale eher bereit, noch einmal vier Oppositionsjahre dranzuhängen, als sein Versprechen zu brechen, sich nicht auf eine Ampel-Koalition mit SPD und Grünen einzulassen.

Dabei gibt es zwischen FDP und Grünen durchaus inhaltliche Gemeinsamkeiten. Auch das hat der Dreikampf gezeigt. Die Abwrack-Prämie wurde von beiden Seiten genauso als verhängnisvoller Fehler kritisiert wie die Rente mit 67 und der Gesundheitsfonds. Bei der Beurteilung der jüngsten Gewalttat in einem Münchner S-Bahnzug schwamm man ebenfalls auf einer Welle: Mehr Polizeipräsenz tue not. Zudem pochen die Oppositionsparteien schon länger unisono auf deutlich mehr Geld für den Bildungsbereich.

Allerdings lassen sich auch die politischen Unterschiede nicht wegdiskutieren: Die FDP ist für Steuersenkungen, die Grünen sind dagegen. Die Liberalen lehnen Mindestlöhne und eine Begrenzung der Managergehälter ab. Die Grünen sind dafür.

Blieben solche Hürden unüberwindbar, dann könnte die Große Koalition am Ende der lachende Dritte sein.

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