Unklarheiten, aber keine Zweifel
Das Landgericht Trier hat einen 38-jährigen Franzosen wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Der Mann soll nach Meinung der 1. Großen Strafkammer im Mai 1999 seine damalige Freundin mit Gewalt zum Geschlechtsverkehr gezwungen haben.
Trier. Es war kein einfacher Prozess, nicht nur wegen der jahrelangen Verzögerung durch das Fahndungs- und Auslieferungsverfahren. Die mutmaßliche Tat lag lange zurück, es gab nicht den Hauch eines Sachbeweises, und das Opfer, eine heute 38-jährige Kellnerin, verwickelte sich bei der Beweisaufnahme in nicht unerhebliche Widersprüche. Dazu schälte sich bei den Zeugenaussagen eine komplizierte, durch ständiges Hin und Her gekennzeichnete Beziehungsgeschichte heraus, die das Finden der Wahrheit nicht gerade erleichterte.So war das Paar zusammengezogen, hatte die gemeinsame Wohnung nach wenigen Wochen wieder geräumt, hatte trotzdem weiter sexuelle Beziehungen unterhalten, hatte sich gestritten und versöhnt - sogar nach der Vergewaltigungs-Anzeige, die erst Wochen nach der fraglichen Nacht erfolgte. Ein "ambivalentes Verhalten" attestierte auch die Vorsitzende Richterin Petra Schmitz dem Opfer - "nichts Ungewöhnliches" in solchen Beziehungen. Aufgrund von Zeugenaussagen wurde deutlich, dass der Angeklagte zunehmend "Stalker-Verhalten" an den Tag legte. Unklarheiten beim Tatgeschehen
Beim Tatgeschehen selbst blieb, wie auch Staatsanwalt Stephane Parent einräumte, manches "unklar". Aber im Kern glaubte er der Opfer-Aussage, nach der der Angeklagte sie nach mehreren Auseinandersetzungen an den Handgelenken festhielt, aufs Bett drückte und ihr schließlich seinen Willen aufzwang. Die Aussage sei "detailreich" gewesen, was "nach aussagepsychologischen Erkenntnissen" für ihren Wahrheitsgehalt spreche. Zudem beweise die "deutliche emotionale Regung" bei der Zeugenaussage deren Glaubwürdigkeit.Das wiederum mochte Verteidigerin Anne Bosch nicht gelten lassen. Schließlich sei auch ihr Mandant bei Verlesung der Anklage in Tränen ausgebrochen. Ausführlich analysierte sie die Unterschiede zwischen früheren Aussagen der Frau und jenen in der Hauptverhandlung. Sowohl bezüglich des angeblichen Tatablaufs wie auch im Umfeld machte sie beträchtliche Differenzen aus, die auch durch das lange Zurückliegen der Vorgänge nicht erklärbar seien. "Darauf kann man keine Verurteilung stützen", appellierte sie an das Gericht.Doch die Kammer schloss sich - offenbar von Zweifeln nicht geplagt, die Beratungszeit dauerte 20 Minuten - der Linie des Staatsanwaltes an. Zwar gebe es "in der Tat eine Diskrepanz" in den Aussagen, sagte die Vorsitzende Richterin, aber die sei durch die lange Zeitdifferenz erklärbar. Die Aussage sei dem Gericht insgesamt glaubwürdig erschienen, denn das Opfer habe die Tat "nicht isoliert, sondern eingebettet in eine umfassende Geschichte" erzählt. Auch die befragten Zeugen hätten, unabhängig vom Tatvorgang, "das Gesamt-Bild des Opfers gestützt".Trotz des schweren Tatvorwurfs blieb man allerdings am untersten Rand des Strafmaßes. Begründet wurde die Milde unter anderem mit dem langen Zurückliegen der Tat.