Verfolgt auf Schritt und Tritt

Von unserem Redakteur JOACHIM WINKLER MAINZ. Telefonterror, Auflauern, Verfolgen: Nicht nur Promis leiden unter Nachstellungen. "Stalking" (englisch: sich anschleichen) trifft zunehmend auch Normalbürger. Pop-Ikone Madonna wurde von einem ungeliebten Verehrer mit dem Tode bedroht, eine Deutsche verfolgte US-Schauspieler Richard Gere über Wochen und bei Sängerin Jeanette Biedermann brach ein liebestoller, hartnäckiger Fan sogar in die Wohnung ein. Was als harmlose Liebesbekundung beginne, könne sich zu Psycho-Terror und mehr auswachsen, sagt der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin. Sein hessischer Kollege Christean Wagner (CDU) will dem systematischen Verfolgen und Belästigen von Menschen mit einer Bundesratsinitiative einen Riegel vorschieben und "Stalking" unter Strafe stellen. In 80 Prozent der Fälle sind laut Studien Frauen die Opfer der Nachstellungen. Rund 550 Ermittlungsverfahren hat es nach Schätzung der Strafverfolger in den letzten zweieinhalb Jahren im Land in diesem Bereich unter dem Aspekt Beleidigung, Nötigung, Hausfriedensbruch oder Körperverletzung gegeben, darunter auch Fälle, die für Schlagzeilen sorgten. So wird ein Mainzer Professor seit drei Jahren von einer ehemaligen Studentin mit Telefonterror, Briefen, Sachbeschädigungen und Morddrohungen traktiert. Auch platzierte die Frau in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung eine Todesanzeige über das angeblichen Ableben des Professors. Ein Strafbefehl wegen Körperverletzung, Beleidigung und Nötigung ist noch nicht rechtskräftig. Wohl aus verschmähter Liebe machte es sich eine Frau im Raum Koblenz zum Lebensziel, einen Professor durch falsche Verdächtigungen und Denunziation zu ruinieren. Sie erstattete anonyme Anzeigen mit üblen Nachreden, schickte gefälschte Geständnisse an die Staatsanwaltschaft und blockierte Zufahrten zum Grundstück. Die Anklagepunkte reichen von übler Nachrede über Nötigung bis zum Hausfriedensbruch.Motiv oft enttäuschte Liebe

Doch oft landen die Verfolgungs-Fälle nicht bei der Polizei, weil strafrechtliche Grenzen nicht eindeutig überschritten wurden. Tag und Nacht klingelte eine enttäuschte Liebe über Monate bei einem jungen Mainzer an der Tür, rief an oder beobachtete ihn. "Einfach ignorieren hat nichts gebracht", so das Opfer zum TV . Die Abgewiesene verbreitete Lügen und versuchte, durch ständige Anwesenheit Druck auszuüben. Wurde sie zur Rede gestellt, bestritt die junge Frau sämtliche Vorwürfe. Erst als das Opfer den neuen Partner seiner Verfolgerin ausfindig machen konnte und einschaltete, hatte der Spuk ein Ende. Telefonterror und aggressives Nachstellen wollen die Justizminister der Länder nun als Tatbestand im Strafgesetzbuch aufnehmen, um die Opfer besser zu schützen. Hessens Justizminister Wagner legte diese Woche einen Gesetzentwurf vor, der im Juli in den Bundesrat eingebracht werden soll und in schweren Fällen Höchststrafen von bis zu zwei Jahren vorsieht. "Stalking" wird dabei als fortwährendes Nachstellen oder Verfolgen gegen den Willen eines anderen definiert. Erkennbar ist das dem Gesetz zufolge an einer Suche nach körperlicher Nähe, Kontaktaufnahmeversuchen oder Drohungen gegen den verfolgten Menschen selbst oder gegen ihm nahe stehende Menschen. Das Gesetz soll zusätzlich zum bereits seit 2002 gültigen Gewaltschutzgesetz "umfangreichen strafrechtlichen Schutz" gewähren. Mertin will den Entwurf seines hessischen Kollegen zwar prüfen, ist jedoch skeptisch, ob ein Straftatbestand geschaffen werden kann, der die Nachstellungen hinreichend klar bestimmen kann und damit verfassungsrechtlich unangreifbar macht. Den Opfern wäre nicht geholfen, wenn die Verfahren später größtenteils eingestellt werden müssten, sagt der Minister. Sein Ressort hat einen Leitfaden "Was tun gegen Stalking" aufgelegt, der Ratschläge bei Nachstellungen oder Verfolgung gibt. Auch wenn die Belästigung nicht gleich strafrechtliche Qualität erreiche, seien Opfer nicht schutzlos und könnten zivilrechtlich gegen die Täter mit einer einstweiligen Verfügung nach dem Gewaltschutzgesetz vorgehen, rät Mertin. Das Faltblatt "Stalking" kann beim Justizministerium, 55116 Mainz, angefordert oder im Internet unter www.justiz.rlp.de abgerufen werden.

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