Verkehrte Welt bei der Krippenfinanzierung

Mit gedämpften Erwartungen gehen Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) und Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) an diesem Mittwoch in ihr erstes Spitzengespräch zur Finanzierung des Krippenausbaus. Mit einer Einigung auf ein Modell zur Verdreifachung des Krippenangebots in den kommenden sechs Jahren wurde in beiden Ministerien noch nicht gerechnet.

Berlin. Kinder kennen das Spiel "Verkehrte Welt", bei dem groß und klein, Mama und Papa und auch sonst alles vertauscht wird. Lustig. Beim heutigen Gipfelgespräch zwischen Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) über die Finanzierung der geplanten neuen Krippenplätze wird es ähnlich zugehen.Ministerin guckt beim Vorgänger ab

Ministerin von der Leyen hat sich ihr Finanzmodell beim Ganztagsschulprogramm der Vorgängerregierung abgeguckt. Vier Milliarden Euro, verteilt auf vier Jahre, hatte Rot-Grün als reinen Bauzuschuss spendiert, die laufenden Kosten sollten die Länder aufbringen. Sozialdemokraten wie Ex-Bildungsministerin Edelgard Bulmahn setzten im vorigen Jahr bei der Föderalismusreform gegen Widerstände der Unions-Ministerpräsidenten durch, dass solche Finanzierungen möglich blieben. Nun will von der Leyen das gleiche Instrument nutzen, das allerdings Schwächen hat. Denn wenn die Länder nicht wollen, dann wollen sie nicht. Beim Ganztagsschulprogramm wurde bisher nur die Hälfte der Mittel abgerufen, 5755 Ganztagsschulen entstanden, statt der geplanten 10 000. Die Laufzeit des Programms musste verlängert werden. Großer Erwartungsdruck durch die Eltern

Nicht zufällig hielten sich vor allem CDU-Länder zurück, allen voran von der Leyens Heimat Niedersachsen sowie Hessen. Die Ministerin glaubt aber, diese Probleme bei ihrem Krippenplan im Griff zu haben. Der Erwartungsdruck der Eltern sei groß, die Gemeinden könnten sich nicht verweigern, heißt es im Ministerium. Außerdem solle es Verwaltungsvereinbarungen geben. Rund 3,8 Milliarden, so der Vorschlag, sollen die Gemeinden nach Paragraf 104 b des geänderten Grundgesetzes bis 2013 für den Bau von rund 500 000 neuen Krippenplätzen bekommen. Das sei der einzige rechtlich saubere Weg. Die Personal- und Betriebskosten wachsen in dieser Zeit auf 2,3 Milliarden Euro jährlich an. Das könnten Länder und Kommunen angesichts der guten Finanzlage verkraften, glaubt man. Nun, verkehrte Welt, kritisiert die SPD, dass solche Bauzuschüsse eine "Mogelpackung" seien. Aus den Ländern tönt Ähnliches. Von der Leyen hat sich für das heutige Gespräch mit Steinbrück gut präpariert. Insgesamt 3,2 Milliarden Euro, den Löwenanteil ihres Programms, will sie aus der so genannten Demografiereserve finanzieren. Angesichts des Geburtenrückgangs spare der Bund beim Kindergeld jährlich rund 600 Millionen Euro, hat das Familienministerium errechnet. Steinbrücks Problem: Als SPD-Vize hatte er selbst Ende Februar ein Finanzkonzept mit vorgestellt, in dem sogar 630 Millionen Euro als "Einsparungen beim Kindergeld" aufgeführt waren. Von der Leyen ist das nicht entgangen. Den Rest will die Ministerin dadurch einspielen, dass allein erziehende Mütter arbeiten können, wenn es Betreuungsangebote gibt. In sechs Jahren, so die Hoffnung, erbringe das 900 Millionen Euro Einsparungen bei Hartz IV.Unions-Veto gegen Kürzung von Familienleistungen

Die SPD verlangt dagegen weiter einen Rechtsanspruch auf Krippenbetreuung und will den Ländern, die dem im Bundesrat zustimmen müssten, dafür dauerhaft rund 2,8 Milliarden Euro jährlich überweisen. Das soll aus einer Kürzung des Ehegattensplittings, Verzicht auf Kindergelderhöhung und der Demografiereserve bezahlt werden. Allerdings hat die Union schon auf höchster Ebene, durch die Kanzlerin, ihr Veto gegen die Kürzung von Familienleistungen eingelegt. Steinbrücks Lage ist also misslich, zumal von der Leyens Konzept jener Sparsamkeit entspricht, die er selbst derzeit überall predigt. Er erwarte, dass nur die unterschiedlichen Konzepte ausgetauscht würden, dämpfte der Finanzminister die Erwartungen. Eine Entscheidung fällt demnach wohl erst nächste Woche, wenn sich die Parteispitzen treffen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort