Verschobene Parameter

BERLIN. Mit ihrem neuen Grundsatzprogramm vollzieht die SPD die Folgen der Globalisierung nach eng beschriebenen Seiten und Sätzen wie diesem: "Wer die menschliche Gesellschaft will, muss die männliche überwinden".

Das Programm löst das alte Grundsatzprogramm von 1990 ab. Damals, nach dem Mauerfall, waren die Folgen des Zusammenbruchs der Blöcke noch nicht absehbar. Nicht die Globalisierung, nicht der Aufstieg großer Schwellenländer wie China und Indien, nicht die Macht weltweiter Finanzströme, nicht die Friedenseinsätze der Bundeswehr, nicht der Terrorismus und auch nicht der Klimawandel. Im Vergleich wird deutlich, wie sehr sich die Parameter für die SPD verschoben haben. Zentral steht jetzt die Frage, wie sich Deutschland in der globalen Konkurrenz behaupten kann und wie sich unter den neuen Umständen der Sozialstaat definiert. Die SPD bleibt bei ihren Grundwerten Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität und definiert sich als "linke Volkspartei". In dem Text ist aber eine Abkehr vom Sozialstaat bisheriger Prägung und eine Hinwendung zum Leistungsdenken spürbar. "Es gibt keinen Weg zurück in die Ära der alten Industriegesellschaft", heißt es. Das Normalarbeitsverhältnis befinde sich "auf dem Rückzug". Die SPD will sich nicht gegen diesen Wandel stellen, sondern ihn "gestalten". Zum Beispiel durch europaweite Arbeits- und Steuerstandards. Neuer Leitbegriff ist der "vorsorgende Sozialstaat". Seine Aufgabe ist die Eröffnung von Chancen für ein selbstbestimmtes Leben. Frühkindliche Bildung, Ganztagsschulen und die Intensivierung der Weiterbildung sind Kernaufgaben des Staates, ebenso die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Nur die großen Lebensrisiken sollen von der Gemeinschaft abgesichert werden. Klar plädiert die SPD hier für eine Bürgerversicherung im Gesundheitswesen und bei der Pflege sowie für eine stärkere Steuerfinanzierung dieser Leistungen. Gerechtigkeit definiert das Programm nun als "gleiche Zugangsmöglichkeiten, Chancengleichheit, faire Einkommens- und Vermögensverteilung". Die Verschiebung vom fürsorgenden zum vorsorgenden Sozialstaat kann in der Konsequenz später eine Umverteilung der Staatsausgaben zugunsten der Bildung und zu Lasten rein konsumtiver Sozialausgaben bedeuten. Die Rede ist von einem "neuen Mischungsverhältnis", und auch Parteichef Kurt Beck äußerte sich in diese Richtung. Eine Konstante der SPD-Programme ist die Technikgläubigkeit. 1956, beim Bad Godesberger Programm, stand vorne noch der Satz, es sei "die Hoffnung dieser Zeit, dass der Mensch im atomaren Zeitalter sein Leben erleichtern, von Sorgen befreien und Wohlstand für alle schaffen kann". Im neuen Entwurf wird ganz ähnlich formuliert: "Die ökologischen und sozialen Probleme der modernen Welt können wir mit den Mitteln der modernen Welt lösen". Besonders gilt dies für den Klimawandel, dem die SPD nicht etwa durch ein Abbremsen des Wachstums, sondern mit Energieeffizienz beikommen will. Für Deutschland seien dies Leitmärkte der Zukunft, auf denen man an der Spitze stehe und bleiben müsse. "Die Wirtschaft kann wachsen, ohne die Natur zu zerstören".

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