Viele Hundert Spuren - aber keine heiße

Seit knapp vier Monaten ist die Trierer Studentin Tanja Gräff vermisst. Die 21-Jährige verschwand unter mysteriösen Umständen. Heute Abend berichten gleich zwei ZDF-Sendungen über den spektakulären Kriminalfall.

Trier. Eckhard Otto, Vize-Chef der nach dem Verschwinden Tanjas gebildeten Sonderkommission Fachhochschule, ist hinter dem Aktenberg, der sich vor ihm auf dem Schreibtisch türmt, kaum zu sehen. "So etwas", stöhnt der erfahrene Kriminalhauptkommissar, "gab es noch nie." Was Otto meint: das Hinweis- und Spurenaufkommen im Fall Tanja. Bislang mehr als 900 Hinweise

Mehr als 900 Hinweise gingen bei der Trierer Kriminalpolizei ein, seit die Fahnder Anfang Juni die Bevölkerung zum ersten Mal um Mithilfe bei der Suche nach der vermissten Trierer Studentin aufgerufen hatten. Über 900 Hinweise, die bewertet, klassifiziert und natürlich überprüft werden wollen. "Eine Sisyphusarbeit", sagt Otto. Kriminalistische Fein-Arbeit, die aber wichtig, unumgänglich ist. Vielleicht ist ja unter den rund 500 als vordringlich eingruppierten Personen- und Sachspuren der eine, entscheidende Hinweis darunter, der der immer noch 20-köpfigen Soko FH endlich den erhofften Durchbruch im Fall Tanja bringt. Bislang tappen die Ermittler in dem bundesweit Schlagzeilen machenden Vermisstenfall immer noch im Dunkeln, auch wenn Soko-Vize Otto diesen Begriff nach eigenen Angaben gar nicht gerne hört: "Sagen wir mal so: Bis dato hat noch nichts zum erhofften Erfolg geführt." Das gilt auch für den letzten Aufruf der Polizei, der Anfang des Monats - nach einem Ortstermin mit Zeugen - veröffentlicht wurde. Danach halten es die Ermittler plötzlich nicht mehr für ausgeschlossen, dass Tanja Gräff am Morgen ihres Verschwindens doch mit einem Bus von der Fachhochschule in die Stadt gefahren sein könnte. Gemeldet hat sich aber bislang niemand, der die junge, rothaarige Frau in einem Bus gesehen hat. Das Gleiche gilt auch für alle anderen Spuren, bei denen die Öffentlichkeit um Mithilfe gebeten wurde. Trotzdem wollen Soko-Vize Eckhard Otto und seine Kollegen weitermachen, bis sie die lang ersehnte heiße Spur gefunden haben. "Es ist eben nicht wie im Fernsehen, wo sie einen Fall in 45 Minuten lösen", sagt Christian Jäger. Der 21-jährige Student ist mit der vermissten Tanja Gräff seit der Gymnasialzeit befreundet und hat gemeinsam mit anderen Freunden und Studienkollegen eine wohl beispiellose Such-Aktion initiiert. Tausend Transparente, Plakate und Handzettel wurden geklebt oder verteilt, Stände in Fußgängerzonen, E-Mail- und Haustür-Aktionen informierten über das Schicksal der verschwundenen jungen Frau. Für besonderes Aufsehen sorgte eine Lichterprozession am Trierer Dom, an der Ende Juni über 1200 Menschen teilnahmen. Fakten statt Emotionen

Heute Abend sind Christian Jäger und zwei andere junge Männer aus Tanjas Freundeskreis zu Gast in der ZDF-Sendung von Johannes B. Kerner (Beginn 23.15 Uhr). Im Anschluss an "Aktenzeichen XY ungelöst" (ZDF, 20.15 Uhr), wo ebenfalls über den mysteriösen Vermisstenfall berichtet wird, wollen die drei Freunde noch einmal erzählen, was sie zu ihrem Engagement bewogen hat. "Dabei überwog zunächst die Skepsis, überhaupt in eine solche Sendung zu gehen", sagt Christian Jäger. "Wir haben im Freundeskreis mehrmals darüber diskutiert und auch erst zugestimmt, nachdem wir das Einverständnis von Tanjas Eltern hatten." Eine Bedingung hätten sie der zuständigen Kerner-Redakteurin schließlich gemacht: "Wir kommen nur, wenn es in der Sendung nicht darum geht, Emotionen rüberzubringen, sondern Fakten." Jäger: "Wir wollen keinen Boulevard, und wir wollen uns auch nicht profilieren."Weil ihnen dies zugesagt worden sei, setzen sich die drei Freunde Tanjas heute Morgen in den Zug nach Hamburg, wo die Sendung gegen kurz nach 18 Uhr aufgezeichnet wird. Genau 13 Minuten sind für das Gespräch eingeplant.

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