Viele Kessel unter Dampf

BERLIN. (BB) Der rot-grünen Koalition in Berlin steht neuer Ärger ins Haus. Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) ist nicht gewillt, den "Nationalen Allokationsplan", hinter dem sich ein System verbirgt, wie viel "Rechte" die Unternehmen zur Luftverschmutzung haben, in vorliegender Form zu akzeptieren.

Nach monatelangem Gezerre mit dem Umweltministerium von Jürgen Trittin (Grüne) hat der streitbare Clement einen bereits erzielten Kompromiss der Staatssekretäre Georg Wilhelm Adamowitsch und Rainer Baake platzen lassen. Damit ist abermals der Versuch gescheitert, die Details des Allokationsplans zu regeln, der bis zum 31. März 2004 der Europäischen Kommission vorgelegt werden muss. Bereits Anfang Februar war ein Treffen zwischen Adamowitsch, Baake und Wirtschaftsvertretern "knallend" auseinander gegangen. Während die Industrie eine "bedarfsgerechte Ausstattung" mit CO2-Zertifikaten einfordert, und einflussreiche Kreise zudem Nachteile insbesondere für Kohlekraftwerke verhindern wollen, pocht Trittin nachdrücklich auf die "Selbstverpflichtung" der Wirtschaft, bis zum Jahr 2010 ihre Emissionen um 45 Millionen Tonnen Kohlendioxid zu reduzieren. Der pikante Punkt: Zu den einflussreichen Kreisen gehören prominente Genossen aus Nordrhein-Westfalen, die durch Trittins Pläne den "gültigen Energie-Mix" gefährdet sehen und das Ende der Kohleverstromung fürchten. An vorderster Stelle eben Ex-NRW-Ministerpräsident Clement, der in dieser Frage knallhart die Interessen der Wirtschaft vertritt. Bundeskanzler Gerhard Schröder steckt nun in einem Dilemma. Ein Grund, warum er sich offiziell aus dem Streit heraus hält. In der Sache hat nämlich Trittin recht: Er setzt bloß um, was Rot und Grün miteinander vereinbart haben, und was nicht erst seit dem Öko-Gipfel von Rio und dem Kyoto-Protokoll erklärtes Ziel deutscher Umweltpolitik ist: die drastische Reduzierung der CO2-Emissionen. Zudem kann Trittin auf die Zusage der Wirtschaft verweisen, die sich auf 45 Millionen Tonnen festgelegt hatte. Allerdings hat der trickreiche Öko-Minister im "A-Plan" auch Bedingungen formuliert, die der Energiewirtschaft nicht passen. CO2-intensive Kohlekraftwerke etwa würden mit dem gleichen Maß gemessen wie moderne Gas- und Dampfkraftwerke. Damit würde sich auch das in NRW geplante "Referenz(kohle)kraftwerk" nicht mehr rechnen, das einen deutlich höheren Wirkungsgrad - und Export-Chancen verspricht. Jetzt ist guter Rat teuer. Welchen Stand die Verhandlungen erreicht haben, wollte Regierungssprecher Bela Anda nicht mitteilen. Wie problematisch der Sachverhalt ist, zeigen aber die Reaktionen der Grünen. In der Fraktion wurde sogar schon von einer "Koalitionskrise" gesprochen. Die Grünen seien Clement weit entgegen gekommen und "bis zur Schmerzgrenze" gegangen, hieß es. Der grüne Umweltexperte Reinhard Loske meinte, man müsse an der "anspruchsvollen Klimapolitik" festhalten, dafür sei man schließlich gewählt worden. Die Energie-Expertin der FDP-Fraktion, Birgit Homburger, sprach von "blankem Chaos" und forderte ein Machtwort des Bundeskanzlers. Doch der, so Regierungssprecher Anda, wolle "zunächst nicht eingreifen".

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