"Vielleicht hilft Mundhalten"

BERLIN. (dpa) Susanne Osthoff kam für viele unerwartet schnell frei. Das Trauma der Entführung in ihrer Wahlheimat Irak wird sie aber noch lange beschäftigen.

Sie entflieht dem Medienrummel samt Blitzlichtgewitter. Frau Osthoff suche nicht den Kontakt zur Öffentlichkeit, formulierte der deutsche Botschaf-ter im Irak, Bernd Erbel, in einem Telefonat mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) den Wunsch der 43-Jährigen. Am Sonntag kam sie rund drei Wochen nach ihrer Verschleppung frei. Nun will sie zunächst ein paar Tage mit ihrer zwölfjährigen Tochter verbringen. Den Irak wird sie zwar verlassen. Nach Deutschland zieht es die Archäologin aber zunächst nicht. Die genauen Umstände ihrer Entführung und Freilassung werden wohl öffentlich nie geklärt werden. Das Auswärtige Amt blieb nach der Freilassung genauso so wortkarg wie in den vergangenen drei Wochen, als es täglich immer wieder nur knapp hieß: "Zum Schutz der Betroffenen können wir keine Details nennen." Diese Strategie sollte Versuche zur Kontaktaufnahme mit den Entführern nicht gefährden. Eine Strategie, die aufging und den Handelnden viel Respekt einbrachte. Man sollte jetzt nicht spekulieren, unter welchen Bedingungen und Umständen die Freilassung erfolgt sei, sagte Vize-Kanzler Franz Müntefering, der am Sonntag erst um 19 Uhr aus den Nachrichten von der Freilassung erfuhr. "Vielleicht hilft Mundhalten." Die 43-Jährige hielt sich zunächst in der stark bewachten deutschen Botschaft im Bagdader Stadtteil Mansour auf. Nach ihrer Freilassung, die möglicherweise schon am späten Sonntagvormittag irakischer Zeit (MEZ plus zwei Stunden) vonstatten gegangen war, sprach sie zunächst ausführlich mit Botschafter Erbel (58), einem ausgewiesenen Orientexperten, der wie Osthoff fließend arabisch spricht. Telefonischer Dank an den Krisenstab

In einem Telefonat mit dem Außenstaatssekretär Klaus Scharioth bedankte sich Osthoff am Montagnachmittag bei der Bundesregierung und dem Krisenstab für die Bemühungen um ihre Freilassung. Der Dank gelte auch Erbel und seinen Mitarbeitern, die sich auf sehr menschliche Weise um sie gekümmert hätten. Zugleich warb sie um Verständnis dafür, dass sie nicht direkt nach Deutschland kommen wolle. "Es ist die Entscheidung von Frau Osthoff, ob, wann und wohin sie reisen will", hieß es im Auswärtigen Amt, dessen Sprecher Martin Jäger versicherte: "In jedem Fall ist aber davon auszugehen, dass sie den Irak in allernächster Zukunft verlassen wird." Ob für immer, darf bezweifelt werden. Die Archäologin ist mit dem kriegsgeschundenen Zweistromland tief verbunden. Sie konvertierte zum Islam, war mit einem Iraker verheiratet und hat aus dieser Ehe eine Tochter. Selbst während des Krieges 2003 schaffte sie in Deutschland gesammelte Medikamente quer durch das Land. Sie kämpfte unermüdlich für die Restaurierung irakischer Kulturstätten. "Bei all ihren Reisen vertraute sie auf den Respekt ihr gegenüber als Muslimin und als Mensch, der sich rückhaltlos für den Irak einsetzt", hatten die drei früheren Bundespräsidenten Johannes Rau, Roman Herzog und Richard von Weizsäcker noch Ende voriger Woche in einem Appell an die Kidnapper geschrieben. Ob die Entführung das Vertrauen der engagierten Deutschen in den Irak und seine Menschen zerstört hat, kann nur sie selbst beantworten. "Meine Schwester hat ein starkes Herz", sagte ihr Bruder Robert, kurz nachdem er die Nachricht von der Freilassung erhalten hatte. Bekannte und Verwandte sind sich deshalb fast sicher: "Sie wird wieder in den Irak gehen."

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