"Vielleicht klappt es irgendwann"

TRIER. Zwei Millionen Paare in Deutschland sind ungewollt kinderlos. Daniela und Michael aus Trier gehören dazu. Seit zehn Jahren hoffen sie darauf, ein Kind zu bekommen.

Sie haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben. "Vielleicht klappt es ja doch irgendwann noch." Vielleicht, irgendwann. Michael und Daniela wünschen sich ein eigenes Kind - seit zehn Jahren. Etliche Untersuchungen und Behandlungen haben die beiden über sich ergehen lassen. Daniela wurde mit Hormonen behandelt, zwei Jahre lang bedeutete das Sex nach Terminplan, genau zum errechneten Zeitpunkt des Eisprungs. Dadurch haben sich die beiden selbst unter Druck gesetzt und immer nur im Kopf gehabt: "Dieses Mal hat es geklappt." Betroffene fühlen sich als Versager

"Spaß hat das keinen mehr gemacht. Das ist zu Stress ausgeartet", erinnert sich Daniela an die Zeit. Und mit jeder Enttäuschung, die für die 38-Jährige und ihren 43-jährigen Mann seit zehn Jahren schon zur Normalität geworden ist, ist der Zweifel an sich selbst größer geworden. "Sind wir nicht normal? Was stimmt nicht? Warum klappt das Einfachste auf der Welt bei uns nicht?" Sie fühlten sich als Versager. Immer wieder müssen sie sich Mut machen: "Das nächste Mal klappt es ganz bestimmt." Dazu der Druck von Freunden und Verwandten: "Na, wie sieht es aus mit Nachwuchs? Allzulange solltet Ihr Euch aber nicht mehr Zeit lassen." Das tut weh. "Immer mehr Freunde von uns haben Nachwuchs. Die reden dann nur noch über ihre Kinder. Da fehlt es irgendwann an Gesprächsstoff", meint Daniela. Folge: Die Wege gehen auseinander. "Man sucht sich die Freunde aus, mit denen man darüber spricht. Es ist ja etwas ganz Persönliches, Intimes, das bindet man nicht jedem auf die Nase", sagt Michael. Bei ihrer Arbeitsstelle hat Daniela erst gesagt, was los ist, als sie eine Fehlgeburt im dritten Monat hatte und total niedergeschlagen war. "Ich wollte nie mehr schwanger werden", erinnert sie sich an die schlimme Zeit. "Der Kinderwunsch ist immer noch da. Aber manchmal denke ich auch, dass es auch ohne Kinder geht", sagt die 38-Jährige und streichelt ihre Katze, die für beide zum Kind-Ersatz geworden ist. Sie fühlen sich zu Unrecht von der Politik an den Pranger gestellt. Die Diskussion um die Bestrafung von Kinderlosen bei Renten oder Steuern ärgert sie maßlos. "Wir stehen als Schuldige da. Dabei können wir doch gar nichts dafür. Wir würden gerne eigene Kinder haben." Daniela und Michael zählen zu den zwei Millionen Paaren in Deutschland, die ungewollt kinderlos sind - Tendenz steigend. Nicht nur die immer wieder gemachten Vorschläge, Kinderlose stärker zur Kasse zu bitten, auch die Gesundheitsreform, wie sie im nächsten Jahr kommen wird, behandelt die Betroffenen wie Außenseiter. Gesundheitsreform verschlimmert Situation

"Unfruchtbarkeit ist ein anerkannter, krankhafter Zustand. Die Politik tut immer so, als läge die Kinderlosigkeit allein in der Verantwortung dieser Paare", kritisiert der Saarbrücker Facharzt und Bundesvorsitzende des Verbands der Repromedizinischen Zentren, Michael Thaele. Immer mehr Paare suchen Rat in Spezialpraxen wie der von Thaele, setzen ihre Hoffnung in die künstliche Befruchtung, die Zusammenführung von Ei- und Samenzelle im Reagenzglas. In den ersten Entwürfen zur Gesundheitsreform sollten die bislang von den gesetzlichen Krankenkassen gezahlten Kosten für die teuren Behandlungen komplett von den Paaren übernommen werden. Die Repromediziner protestierten dagegen - zumindest teilweise mit Erfolg. Ab Januar müssen die Patienten nun die Hälfte der Kosten für maximal drei künstliche Befruchtungen übernehmen. 1000 bis 1700 Euro pro Behandlung kommen laut Thaele dann auf die Betroffenen zu, Härtefälle werden nicht mehr anerkannt. "Das ist europaweit die höchste Eigenleistung bei diesen Behandlungen", kritisiert der Spezialist, der nicht grundsätzlich gegen eine Eigenbeteiligung ist. Er fürchtet aber, dass viele Paare aufgrund der Kosten sich erst gar nicht behandeln lassen. Und wirklich gespart werden könne dadurch nicht. Im Gegenteil. Es könnten sogar mehr Kosten auf die Krankenkassen zukommen. Weil die Patienten aufgrund der Kostenbeteiligung darauf "drängten, Erfolg zu haben", würden mehr darauf bestehen, statt zwei im Reagenzglas befruchteter Eizellen drei in den Mutterleib zu transferieren. "Die Zahl der Mehrlingsschwangerschaften wird deutlich ansteigen", ist sich Thaele sicher und das mit allen Folgen: Mehrlingsschwangerschaften sind mit einem größeren Risiko verbunden, die Gefahr von Früh- oder Fehlgeburten steigt, die Möglichkeit einer Behinderung der Kinder ist größer. Die Behandlungskosten werden steigen. Thaele plädiert daher für eine Änderung des Embryonenschutzgesetzes in Deutschland. Bislang müssen befruchtete Eizellen am Tag nach der Zusammenführung von Ei- und Samenzelle der Frau zurückgeführt werden. In anderen Ländern ist es erlaubt, bis zu vier, fünf Tage die Entwicklung der Eizellen im Brutschrank zu beobachten und nur die zu transferieren, die sich am besten entwickelt hat. Die Chancen, schwanger zu werden, sind dann größer. Daniela und Michael haben schon überlegt, ins Ausland zu gehen, um sich dort behandeln zu lassen. Bislang hat ihnen der Mut dazu gefehlt. Doch jetzt haben sie es fest vor, auch wegen der Reform.

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