Vier vorne, fünf hinten

BERLIN. Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel (CDU) hat am Mittwoch in Berlin ihr Wahlkampfteam vorgestellt.

Da stehen sie also vor der Stellwand mit dem Motiv des wolkig-blauen Horizonts, hinter dem es wohl bergauf gehen soll. Jene Damen und Herren, die laut Schriftzug "Besser für unser Land" sein sollen: das Kompetenzteam von Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel.Damit bei der Mannschaftsaufstellung jeder weiß, wo er hingehört, sind kleine weiße Pflaster mit dem Namenszug des jeweiligen Kompetenten auf den steingrauen Teppich der Bühne geklebt worden. Vier vorne, fünf hinten, das gibt ein schönes Klassenfoto. Mit Lehrerin natürlich.

Stoiber folgt nur zögerlich

Nach der Vorstellung ihres Teams stellt sich also Angela Merkel pädagogisch geübt rechts an den Rand der Gruppe. Und zögerlich schleicht sich auch noch der "Oberlehrer" der letzten Tage, der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber, mit aufs Foto. Wie gesagt, wirklich nur zögerlich. Was von dem sonst so forschen Edmund eine echte Überraschung ist. Die Botschaft im Konrad-Adenauer-Haus ist eindeutig: Alles hat wieder seine gute, alte Ordnung. Erst die Kandidatin von der CDU, dann der Mann von der CSU. Und was in diesem Wahlkampf bislang gehörig in Unordnung geraten ist, wird auf einmal mit einem herzhaften Lachen weggewischt - frei nach dem Motto, "jo, so san's nun mal, die Bayern". Merkel kichert, Stoiber kichert, und von den Rängen schallt befreiendes Gelächter bei jeder Frage, die dem CSU-Chef und seinen verbalen Eskapaden gilt.

Aber Stoiber wäre nicht Stoiber, hätte er nicht noch etwas im Köcher: "Ich sehe mit Genugtuung, dass die Linkspopulisten abnehmen", spielt er rechthaberisch auf neue Umfragen an, wonach die Linkspartei im Osten verliert und die Union dazu-gewinnt. Von wegen, die Ossi-Beschimpfung war ein strategischer Fehler. Der Groll unionsintern hat Stoiber dennoch kleiner werden lassen - und vom politischen Gewicht her Merkel größer. Es ist deutlich spürbar. Dass allerdings öffentlich nur wenige aus der Führungsriege dem Bayern Paroli geboten haben, hat Merkel enttäuscht. Er steht also nicht neben der Kandidatin, sondern leicht zurückversetzt. Aber so, dass es auffällt. Er geht auch nicht vor ihr auf das Podium, wie sonst schon mal, sondern lässt ihr galant den Vortritt. Das sind alles bewusste Gesten Stoibers, die fast wie Szenen einer alternden Ehe wirken. Wichtiger als diese Spielchen ist für die Kandidatin ohnehin: Edmund Stoiber hält keine Parallelrede zu ihr, keinen seiner gefürchteten Monologe mit den unberechenbaren, verbalen Geistesblitzen, die so oft für Ärger sorgen. Der Bayer liest vielmehr im Anschluss an Merkels Präsentation artig gerade mal eine Minute vom Blatt ab, nicht länger. Man merkt, wie er sich zusammenreißt. Es ist ein schwieriger Auftritt für alle Beteiligten nach dem verdorbenen Wahlkampfauftakt. Auch für das Kompetenzteam.

Allein schon physisch - über eine Stunde auf dem Präsentierteller zu stehen, als Politiker ungefragt nichts sagen zu können, das ist Schwerstarbeit. Man merkt es am verlorenen Spiel mit den Händen. Günther Beckstein (Inneres), Peter Müller (Wirtschaft), Wolfgang Schäuble (Äußeres), Paul Kirchhof (Finanzen), Gerda Hasselfeldt (Verbraucherschutz), Ursula von der Leyen (Familie), Annette Schavan (Bildung), Norbert Lammert (Kultur) und Dieter Althaus (Aufbau Ost) hat Merkel gewinnen können. Bis auf Althaus stehen alle für ein Ministeramt zur Verfügung.

Wahlkämpferischer Neuanfang

Und mit diesen glorreichen Neun, die kein Kabinett darstellen sollen, will Merkel jetzt den Befreiungsschlag erreichen, um wieder in die Offensive zu kommen. Paul Kirchhof, ihr Coup und quasi ihre personifizierte, radikale Steuerreform, steht ganz besonders für diesen wahlkämpferischen Neuanfang. Er ist auch gleich im Mittelpunkt. Allein schon, weil der hoch gewachsene Professor und Ex-Verfassungsrichter alle optisch überragt. Kirchhof bekommt nach der Vorstellung auch die erste Frage, später werden sich vor allem auf ihn und auf den Saarländer Peter Müller die Kamerateams stürzen. Auch Wolfgang Schäuble ist gefragt. Er, der nach all den schmerzlichen Niederlagen besonders Loyale, hört deshalb auch besonders nachdenklich zu, als Merkel gefragt wird, ob sie schon Ministerposten versprochen habe: Erst müsse man doch "das Votum des Bürgers kennen", antwortet Merkel. Und Edmund Stoiber lächelt - weil nämlich auch vieles von seinem Votum über seine eigene Zukunft abhängt.

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