Voll auf Draht!

Mainz/Ingelheim/Wittlich · Ex-Ministerin Irene Alt lockerte die Sicherheit im Abschiebegefängnis in Ingelheim, ihre Nachfolgerin verschärft sie nun wieder.

Mainz/Ingelheim/Wittlich Am 29. November 2013 steht Irene Alt auf einem Kran und schneidet mit einer Zange den Stacheldraht an der Außenmauer des Abschiebefängnisses in Ingelheim durch. Fotografen postieren sich an jenem Tag, um das Bild festzuhalten, das für die Ex-Integrationsministerin die Abkehr eines veralteten Verständnisses von Abschiebehaft symbolisieren soll. Es folgte ein millionenschwerer Umbau: Die Zahl der Plätze in Ingelheim sank von 150 auf 40, Gefangene durften sich freier bewegen, Handys nutzen, der Draht fiel weg. Nun rudert das Land zurück. Gewaltig, wie ein Plan zeigt, den Ministerin Anne Spiegel (Grüne) am Mittwoch vorstellte.

Was das Land ändert: Das Integrationsministerium verschärft die Sicherheit in Ingelheim, was alleine im Bau bis zu 1,3 Millionen Euro kosten soll. Im Hof wird der Zaun um eineinhalb Meter erhöht und mit einem größeren Abstand zu Haftgebäuden gebaut. Sicherungsdraht kommt an einen Zaun vor der fünf Meter hohen Außenmauer zurück. Kameraüberwachung will das Ministerium stärken, Zellenfenster sichern, damit Insassen sich keine Gegenstände über Räume hinweg reichen können. Was Spiegel bei der Pressekonferenz nicht sagt, der TV aber auf Nachfrage vom Ministerium erfährt: Insassen dürfen derzeit Mobiltelefone nicht mehr nutzen, sie müssen auf Kartentelefone in der Einrichtung zurückgreifen. Dazu soll das Personal aufgestockt werden, zumal eigentlich nur 40 Plätze für Abschiebehäftlinge zur Verfügung stehen, derzeit aber 44 belegt sind.
Von 16 Planstellen für Justizvollzugsbeamte seien derzeit nur 13,5 besetzt, zwei Anwärter werden für die Einrichtung vom 1. Dezember an der Justizvollzugsschule in Wittlich ausgebildet. Mit dem Wunsch, Vollzugsbeamte aus den rheinland-pfälzischen Gefängnissen abzustellen, scheiterte Spiegel. Dort sei die Personalsituation auch angespannt, sagt ein Sprecher des FDP-geführten Justizministeriums. Und, so sagt er: "Jedes Ressort ist für die Verwaltung seines Geschäftsbereichs selbst verantwortlich." Spiegel hofft nun, dass Nachbarländer wie das Saarland und Nordrhein-Westfalen -, die auch Abschiebehäftlinge entsenden - mit Kräften aushelfen. Die Ministerin mahnt zugleich an, nur ganz wenige Insassen in Ingelheim seien Straftäter. Daher gelte nach wie vor das Credo: "So viel Freiheit wie möglich, so viel Sicherung wie nötig."

Warum das Land durchgreift: Das rheinland-pfälzische Abschiebegefängnis stand zuletzt massiv in den Negativ-Schlagzeilen. Ministerin Spiegel sagt, dass immer mehr straffällige Personen dort sitzen, "die aggressiver auftreten". Im Sommer kletterten mehrere Männer auf das Dach des Gefängnisses. Auch der Abschiebehäftling Hicham B. saß in Ingelheim, ehe er eine Matratze in seiner Zelle in Brand steckte, in eine psychiatrische Anstalt nach Alzey kam - und floh. Der noch nicht gefasste Mann soll damit gedroht haben, sich selbst umzubringen und andere Menschen mit in den Tod zu reißen. Als Folge daraus kündigt Spiegel an, dass "Hochrisikofälle" außerhalb der Ingelheimer Einrichtung künftig von Polizisten bewacht werden. Formal zuständig bleiben aber die Kommunen, die dann auch zahlen müssten. Bis Dezember hofft die Ministerin auf eine gemeinsame Vereinbarung mit den kommunalen Spitzenverbänden.

Was die Opposition kritisiert: CDU-Fraktionschefin Julia Klöckner sagt, die Grünen kämen nun in der Wirklichkeit an. Warnungen der Union hätten sie in den Wind geschlagen, als Irene Alt einst den Zaun zerschnitt. "Wir wurden damals als herzlos, fremdenfeindlich und rassistisch bezeichnet", echauffiert sich Klöckner. Fraktionsvize Christian Baldauf sagt, den Steuerzahler komme das "rot-grüne Versuchslabor teuer zu stehen". Das Integrationsministerium sei überfordert, der Umgang mit gefährlichen Intensivtätern gehöre ins Innenministerium. Der Trierer AfD-Landtagsabgeordnete Michael Frisch sagt: "Mit den jetzt von Frau Spiegel auf unseren Druck hin angekündigten, längst überfälligen Maßnahmen gesteht sie das Scheitern ihrer grünen Integrationsromantik ein."

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