Vom Nachbarn lernen

TRIER. Während in Rheinland-Pfalz die Debatte über eine Verwaltungs- und Gebietsreform vor sich hin dümpelt, machen die Nachbarn im Saarland ernst. Dort hat sich die Landesregierung an die Spitze der Bewegung gesetzt und eine Diskussion über unbequeme Veränderungen angestoßen.

30 Jahre ist es her, dass die Gebietsreform des Ministerpräsidenten Franz-Josef Röder das Saarland erschütterte. Nun schickt sich Amtsnachfolger Peter Müller an, in die Fußstapfen der Saar-Legende zu treten. Im Frühjahr 2005, so seine klare Zeitvorgabe, soll die Grundlage für eine umfassende Gebiets- und Verwaltungsreform gelegt werden, mit der das kleine Bundesland laut Müller „ein bundesweites Modellprojekt“ werden will.Die Landesregierung hat nicht gekleckert, sondern geklotzt und mit dem Berliner Professor Joachim Jens Hesse den bundesdeutschen Reform-Papst als Gutachter engagiert. Für Rheinland-Pfalz hat der Chef des Internationalen Instituts für Staatswissenschaften vor drei Jahren einen Reform-Vorschlag im Auftrag des Bundes der Steuerzahler erarbeitet, doch Regierung und Opposition in Mainz fassen das brisante Papier nur mit spitzen Fingern an. An der Saar hingegen erntete Hesse in den letzten Wochen mit seinen radikalen Konzepten Lob bei allen Landtags-Fraktionen.Dabei scheut das 600 Seiten starke Hesse-Gutachten keineswegs das Schlachten heiliger Kühe. Wo zurzeit fünf Landkreise, der Stadtverband Saarbrücken und die eigentliche Landeshauptstadt ein dichtes Verwaltungsnetz über das Flächenländchen spannen, sollen künftig nur noch drei Kreise existieren. Einer davon fasst, besonders schmerzlich für die Hauptstädter, die Stadt Saarbrücken und das Umland zu einer „operativen Verwaltungseinheit“ zusammen.Aber die Berliner Verwaltungs-Experten verlangen nicht nur Opfer auf der kommunalen Ebene. Ein oder zwei Ministerien bei der Landesregierung sollen ebenfalls dran glauben. Hesse will Justiz- und Innenministerium zusammenfassen und das Umweltressort als Querschnittaufgabe auf das Kabinett verteilen.Rund 200 Einzelvorschläge enthält die Liste, mittel- und langfristig errechnet das Gutachten Einsparungen von mehr als 70 Millionen Euro pro Jahr. Vielleicht erklärt sich so auch die bemerkenswert hohe Akzeptanz. Ministerpräsident Müller will in einem „möglichst transparenten Prozess“ innerhalb weniger Monate konkrete Ergebnisse erzielen. Und Oppositionsführer Heiko Maas drückt sogar noch mehr auf die Tube: Es sei höchste Zeit, „endlich die strukturell notwendigen Entscheidungen zur Überlebensfähigkeit unseres Landes zu treffen“.Die radikalen Töne haben mit der völlig maroden Finanzlage an der Saar zu tun. „Wir stehen mörderisch unter Druck“, sagt ein CDU-Politiker aus dem Umfeld des Ministerpräsidenten. In Rheinland-Pfalz, so mutmaßt er, „geht es euch scheinbar einfach noch zu gut“. Nur so sei die zaghafte Mainzer Gangart in Sachen Verwaltungsreform zu erklären.Unterdessen formiert sich aber auch im Saarland der Widerstand gegen all zu unbequeme Neuerungen. In einem siebenseitigen, schon vorsorglich entwickelten Grundsatzpapier lässt der Landkreistag seine Bataillone aufmarschieren. Die Landkreise, so heißt es dort, seien „historisch gewachsene Strukturen“, die sich „über die letzten zwei Jahrhunderte im Bewusstsein der Bevölkerung bewährt haben“ und „für die meisten Menschen ein Stück Heimat schaffen“. Und für den Fall, dass der Druck auf die Tränendrüse nichts nützt, zeigen die Kreis-Lobbyisten schon mal die Folterwerkzeuge: Den saarländischen Landkreisen und dem Stadtverband Saarbrücken, heißt es in einem Vorstandsbeschluss vom letzten Jahr mahnend, sei „die Selbstverwaltung verfassungsrechtlich garantiert“.alf/sas

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