Von Frage- und Ausrufezeichen

TRIER. Enttäuschende Zahlen und Handwerker mit Existenz-Angst: In vielen Regionen Deutschlands stehen Ein-Euro-Jobs massiv in der Kritik. Für Trier und Umland fällt die erste Bilanz deutlich positiver aus – wenngleich diese Arbeitsgelegenheiten auch bei uns nicht nur Freunde haben.

Man stelle sich vor, ein Arbeitsloser gründet eine Ich-AG. Seine Geschäftsidee, von der Agentur für Arbeit für gut befunden und gefördert: ein Einkaufs-Service für Senioren. Da schafft die Stadt Ein-Euro-Jobs für Arbeitslose. Einer der Aufträge: ein Einkaufs-Service für Senioren. Die Ich-AG kann einpacken. Undenkbar? Im niedersächsischen Ronnenberg ist genau das passiert. Ein Extrembeispiel, sicher. Doch Kritiker sind kaum noch zu stoppen, wenn es um die negativen Folgen der Ein-Euro-Jobs geht. Diese Stellen, die mit der Hartz-IV-Reform Anfang 2005 in großem Stil eingeführt wurden, haben zum Ziel, Arbeitslose eine Zeit lang für gemeinnützige Arbeiten einzusetzen, die zusätzlich sind - also ansonsten nicht gemacht würden. Nur: Wie will man das überprüfen? Arbeitet der Ein-Euro-Jobber, der die Kindergärten chronisch klammer Kommunen renoviert, zusätzlich, oder verdrängt er reguläre Arbeitsplätze? Letzteres, meinen Zentralverband des deutschen Handwerks (ZDH) und Deutscher Gewerkschaftsbund, die die Ein-Euro-Jobs in vielen Fällen "für marktwidrig und wettbewerbsverzerrend" halten. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi klagt, bei mehr als der Hälfte der 114 000 Jobs bundesweit handele es sich weder um gemeinnützige noch um zusätzliche Arbeiten. Verwaltungen bauten reguläre Stellen ab und argumentierten dann, die Arbeit von Ein-Euro-Jobbern sei zusätzlich, weil es keine Stellen gebe."Meistens sind beide Seiten zufrieden"

Der Koblenzer Volkswirt Stefan Sell fürchtet, die Pflegebranche beispielsweise werde dieses "Modell" übernehmen. Seine Prognose: Der zweite Arbeitsmarkt wird zulasten des ersten - regulären - wachsen. Für viele Kritiker sind die Ein-Euro-Jobs noch aus einem anderen Grund ein "Flop": 600 000 solcher Arbeitsgelegenheiten kündigte Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) für Ende des Jahres an - bisher sind jedoch gerade mal 114 000 entstanden. Die Arbeitsverwaltung verweist auf ihre Neuorganisation zum Jahreswechsel: Alles hätte sich erst einmal einspielen müssen, doch nun gehe es richtig los. Angesichts der bundesweiten Probleme scheint die Region Trier in Sachen Ein-Euro-Jobs eine Insel der Seligen zu sein. Selbst die Handwerker stören sich nicht an den Jobs. "Bei uns lässt sich das gut an", sagt Josef Adams von der Handwerkskammer (HWK). Man habe früh mit allen Beteiligten Gespräche geführt und sei sich "auf allen Ebenen" einig, dass die Genehmigung von Ein-Euro-Jobs restriktiv gehandhabt werden müsse, damit keine regulären Jobs vernichtet würden. So habe es - "toi, toi, toi" - bisher kaum Probleme gegeben. Im April waren der Trierer Agentur zufolge in ihrem Bezirk 874 Langzeitarbeitslose in Ein-Euro-Jobs tätig; hinzu kamen 133 weitere, die solchen Arbeitsgelegenheiten bereits seit 2004 nachgehen. Zahlen, die die Verantwortlichen gerne weitergeben - ihre Erwartungen wurden voll erfüllt. Für Marita Wallrich, Geschäftsführerin der Trierer Arbeitsgemeinschaft aus Sozialamt und Agentur für Arbeit, sind die Ein-Euro-Jobs "ein positives Instrument". Diese Einschätzung teilt man bei den Wohlfahrtsverbänden. "Ich sehe, dass diese Möglichkeit für viele ein Gewinn ist", sagt Ulrike Baumann vom Trierer Club Aktiv, der zwölf Ein-Euro-Jobs geschaffen hat. "Meistens sind beide Seiten zufrieden." Für zwei Jobber sei "eine Übernahme angedacht", berichtet Baumann. Auch Yvonne Ackermann-Masfelder vom Sozialdienst katholischer Frauen (SKF) sagt: "Die Ein-Euro-Jobs sind für alle Beteiligten eine gute Sache." Die acht Ein-Euro-Kräfte verschafften dem SKF "manchmal ein bisschen Luft, uns intensiver zum Beispiel Betreuungsaufgaben zu widmen". Zwei Ein-Euro-Jobber haben beim SKF eine reguläre Stelle erhalten, wenn auch vorerst nur vertretungsweise. Trotz der grundsätzlich positiven Bewertung sieht Ackermann-Masfelder allerdings "einige Fragezeichen". Zum Beispiel hinter der Tatsache, dass die meisten Teilnehmer nach sechs Monaten wieder keine Perspektive hätten. "Für sie gibt es einfach keine Jobs." Josef Adams von der HWK geht noch weiter. Auch wenn die Ein-Euro-Jobs das Handwerk in der Region nicht bedrohten - "aus unserer Sicht machen sie keinen Sinn". Die Arbeitsmarktzahlen könnten dadurch "nicht gravierend" gesenkt werden, und Integrationserfolge fielen gering aus, prophezeit er. Ein weiteres Fragezeichen steht hinter dem Sinn einiger Ein-Euro-Jobs: Die ein oder andere Trierer Institution hat Insidern zufolge so viele Stellen beantragt, dass sie nach der - offenbar überraschenden - Bewilligung händeringend nach Arbeit suchte. Bleibt die Frage, ob gute Vermittlungsquoten und sinkende Arbeitslosenzahlen den Zweifeln Ausrufezeichen entgegensetzen.

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