Von wegen Harmonie

BERLIN. Die Heile-Welt-Bekundungen, die CDU-Chefin Angela Merkel von sich gibt, sind wenig überzeugend. In der Union brodelt es - nicht nur, weil der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber nach seinem Wahlsieg in Bayern zurück im Rennen um die Kanzlerkandidatur ist.

Eigentlich war die CDU-Spitze einen Tag nach dem "historischen Ergebnis" (Angela Merkel) für Edmund Stoiber und die Schwesterpartei CSU auf absolute Harmonie getrimmt. Geschlossenheit und gute Laune wollten die Christdemokraten demonstrieren und sich dabei keinesfalls leidige Diskussionen über Führungsfragen, Machtverschiebungen in den Süden der Republik oder gar Kanzler- und Präsidentenkandidaten aufdrängen lassen. Aber meistens kommt es eben anders als man denkt. Und nicht selten dann, wenn der bisherige Fraktionsvize der Union im Bundestag, Friedrich Merz, den Finger für einen Redebeitrag hebt. Dann kann es schnell vorbei sein mit der großen Harmonie und urplötzlich eine politische Bombe platzen. Ziemlich baff, berichteten Teilnehmer im Anschluss an die CDU-Präsidiums- und Vorstandssitzung, sei die Runde gewesen, als Merz mitten hinein in die Freude über den bayerischen Triumph plötzlich massive Kritik am Gesundheitskompromiss mit der Bundesregierung geübt habe. Das hätte man ja noch verschmerzen können, hieß es. Aber: Der Vize habe auch noch erklärt, lieber würde er auf sein Amt verzichten, als bei der Schlussabstimmung am Freitag im Bundestag nicht gegen die Reform zu stimmen. Am Abend dann, zur völligen Überraschung der Parteioberen, soll Merz im Fraktionsvorstand angekündigt haben, bei den heutigen Neuwahlen der Fraktionsspitze nicht mehr kandidieren zu wollen. Um das Chaos perfekt zu machen, hieß es kurze Zeit später aus seinem Umfeld, Merz habe sich noch nicht entschieden. "Seine Alleingänge sind ja nichts Neues", hört man mittlerweile immer öfter aus den Reihen der Union - und zwar genervt. Deswegen geht man auch davon aus, dass Merz, wenn er denn antritt, heute für seine Extravaganzen einen Denkzettel bekommt. Merkel käme das gelegen, denn damit wäre die Führungsfrage in der Fraktion deutlicher denn je geklärt. Allerdings muss die Vorsitzende im Gegenzug auch bescheinigt bekommen, dass sie unangefochten die Nummer eins ist. Vor einem Jahr erhielt sie 92 Prozent - die Messlatte liegt hoch. Und Merz verfügt nach wie vor über eine starke Hausmacht in der Fraktion. Merkel quält überdies noch eine weitere Führungsfrage fast permanent. Auf dem Weg zur Kanzlerkandidatur 2006 sitzt ihr nach wie vor der hessische Ministerpräsident Roland Koch im Nacken. Und nun, nach seinem furiosen Wahlsieg, ist auch Edmund Stoiber wieder im Rennen. Merkel hofft, die bewährte Teamarbeit aus dem Bundestagswahlkampf zu ihren Gunsten fortführen zu können. "Eine fröhliche CSU ist immer etwas Gutes für die CDU", machte die Christdemokratin gestern auf heile Welt. Das Kräfteverhältnis habe sich durch die Bayernwahl nicht verändert, das Bündnis beider Parteien sei nämlich nicht auf Rivalität, sondern auf Kooperation ausgerichtet. "Bei uns passiert kein Streit", meinte die CDU-Chefin. Noch nicht. Denn klar ist: Die Führungs- und damit die K-Frage zwischen Merkel, Koch und Stoiber wabert noch lange weiter.

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