Vorhang auf zum nächsten Akt

BERLIN. Neuer Akt der Aufführung "Wird die Steuerreform nun vorgezogen oder nicht?" auf der Berliner Bühne: Bundeskanzler Gerhard Schröder sei "eindeutig" für den großen Entlastungsschritt, hieß es gestern aus nicht näher definierten Koalitionskreisen.

Am letzten Wochenende im Juni will sich das Bundeskabinett zu einer Klausur im brandenburgischen Schloss Neuhardenberg treffen. Doch die politische Inszenierung läuft schon jetzt auf vollen Touren. Sogar von einem rot-grünen Neustart ist die Rede. Da fügt es sich prächtig, dass Fürst Hardenberg einst zu den großen Reformern in Preußen zählte. Um die Spannung für das geheimnisumwitterte Spektakel am Kochen zu halten, wurde gestern die Diskussion um ein Vorziehen der Steuerreform erneut angefacht. Der Bundeskanzler sei "eindeutig" dafür, verlautete aus Koalitionskreisen. Gerhard Schröder selbst ließ wissen, dass er sich nur "ungern" an der Diskussion beteilige. Und sein Sprecher fügte sibyllinisch hinzu: Eine Erörterung der Steuerfrage in Neuhardenberg sei "nicht unwahrscheinlicher" geworden. Ob die Entscheidung für ein Vorziehen aber dort schon zwingend falle, lasse sich "noch nicht endgültig sagen". Tatsächlich ist die Verkündung der frohen Botschaft nur noch eine Frage der Zeit. Die Regierung hat riesige Erwartungen geweckt. Das bedeutet umgekehrt, dass sie mit einem Rückzieher den "Neustart" glatt vergessen könnte. Gleichwohl ist die Inszenierung auch noch mit ein paar wichtigen Nebenrollen besetzt. Allen voran Bundesfinanzminister Hans Eichel, der auf einen verfassungsgemäßen Haushalt für 2004 pocht. Außerdem müsse die "Agenda 2010" umgesetzt werden. Erst dann sei ein Vorziehen der Steuerreform möglich. Es geht um gewaltige Summen. Offiziell sind es immer noch 15 Milliarden Euro, die Eichel im nächsten Jahr allein im Bundesetat fehlen. Hinzu kämen Einnahmeausfälle von etwa acht Milliarden Euro, die durch das Vorziehen der letzten Steuerreformstufe von 2005 auf 2004 entstünden. Dennoch gibt es Lichtblicke. Nach der jüngsten Statistik lagen die Steuereinnahmen im Mai um 2,6 Prozent höher als im gleichen Vorjahresmonat. Verstärkt sich der positive Trend, könnte Eichel mit Mehreinnahmen rechnen. Um eine höhere Neuverschuldung kommt Eichel dennoch nicht herum. Wie viel Kredit er am Ende aufnehmen muss, hängt besonders von seinen laufenden Gesprächen mit Sozialministerin Ulla Schmidt ab. Bei ihrem Ressort will der Hesse die dicksten Brocken holen. Diskutiert wird zum Beispiel eine spürbare Anhebung der Krankenkassenbeiträge für die Ruheständler, die man allerdings im Schmidt-Ressort schon aus verfassungsrechtlichen Gründen für unmöglich hält. Erschwerend kommt hinzu, dass Ulla Schmidt drei Milliarden Euro mehr in der Rentenkasse benötigt, um den Beitrag stabil zu halten. Die politischen Optimisten verweisen allerdings auch auf Selbstfinanzierungseffekt einer deutlichen Steuerentlastung: Die Menschen könnten dann mehr konsumieren. So dürfte noch mancher Akt im Berliner Steuerstück gespielt werden - bis zum Finale im Schloss Neuhardenberg.

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