Vorsicht, Falle!

TRIER. Frauen warten immer länger, bevor sie ein Kind haben möchten - und tappen so oft geradewegs in die "Fruchtbarkeitsfalle": Sie können nicht mehr schwanger werden. Über diese Entwicklung sprach der TV mit Frauenarzt Dr. Rudolf Sauter.

Was ist dran an dem Phänomen der"Fruchtbarkeitsfalle"? Sauter: Ich kann das nur bestätigen. 34-Jährige, in deren Lebensplanung Kinder vorkommen, sehen mich entsetzt an, wenn ich sie nach dem Zeitpunkt frage. Und mindestens ein Mal pro Tag sitzt mir eine36-, 37-Jährige gegenüber, die wissen möchte: "Wie lange habe ich noch Zeit?"

Weshalb verschiebt sich der Wunsch nach einem Kind so weit nach hinten?

Sauter: Es gibt drei Gruppen von potenziellen Müttern: Je niedriger der soziale und der Bildungsstatus sind, desto früher haben Frauen einen Kinderwunsch. Sozialhilfeempfängerinnen zum Beispiel definieren sich oft als Mutter, viele werden mit 16, 17 schwanger und finden das klasse. Die zweite Kategorie sind Frauen mit einem einfachen Beruf, die mit 25 erreicht haben, was sie dort erreichen können, und dann ein Kind möchten. Und drittens gibt es die Frauen, von denen wir sprechen. Ihre Zahl steigt immer weiter. Sie sind meist Akademikerinnen, haben einen Beruf, in dem man lange braucht, bis man etwas ist, sie verdienen gut. Dann kommt der Punkt, an dem sie merken, dass die biologische Uhr tickt, und sie geraten in einen Konflikt.

Warum ist es für gut qualifizierte Frauen oft so schwer, sich für ein Kind zu entscheiden?

Sauter: Für zwei Drittel dieser Frauen bedeutet ein Kind einen Karriereknick. Sie werden von ihren Konkurrenten milde belächelt und sind aus dem Rennen. Wollen sie nach der Geburt weiterarbeiten, stoßen sie oft auf Widerstände: "Wie stellen Sie sich das denn vor?". Meist finden diese Frauen im Job keine Erfüllung mehr. Hinzu kommt, dass sie einen mehrfachen Spagat leisten müssen: Sie haben oft ein schlechtes Gewissen gegenüber ihrem Kind, leiden im Beruf darunter, dass sie weniger flexibel sind, wollen eine gute Partnerin sein und müssen meistens außerdem noch den Haushalt schmeißen.

Was raten Sie Frauen im Konflikt zwischen Kind und Karriere?

Sauter: Sie müssen sich über ihren Lebensentwurf klar werden. Von der Natur her ist das beste Alter, schwanger zu werden, Anfang 20. Das ist in unserer Gesellschaft meist unrealistisch. Aber ich finde, eine Frau, die entschieden hat, dass sie Kinder bekommen möchte, sollte mit 30 das erste haben.

Und wer länger wartet, riskiert, dass die Fruchtbarkeitsfalle zuschnappt?

Sauter: Eine Frau, die spät ein Kind bekommen möchte, ist darauf angewiesen, dass alles klappt. Die Erfahrung zeigt aber, dass das oft nicht der Fall ist. Wenn eine 38-Jährige die Pille absetzt, erwartet sie, sofort schwanger zu werden. Es ist völlig normal, dass eine Frau in diesem Alter zwei Jahre lang warten muss, aber sie sitzt nach drei Monaten wieder bei mir. Und dann klappt es oft erst recht nicht. Verbissener Kinderwunsch ist die beste Empfängnisverhütung.

Eine Frau, die nicht mehr natürlich schwanger wird, kann doch aber auf die moderne Fortpflanzungsmedizin zurückgreifen?

Sauter: Darauf verlassen sich viele. Aber eine Sterilitätstherapie braucht ihre Zeit, und ein Zentrum für Fortpflanzungsmedizin nimmt eine Frau über 40 nur sehr ungern an, weil die Schwangerschaftsrate in diesem Alter einfach gering ist.


Nun sinkt mit steigendem Alter ja nicht nur die Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden, sondern die Risiken nehmen auch zu.

Sauter: Richtig. Die Wahrscheinlichkeit, ein Kind mit Down-Syndrom zu bekommen, beträgt bei einer 20-Jährigen 1:7000, bei einer 35-Jährigen 1:350. Zudem steigt das Risiko, dass das Kind per Kaiserschnitt entbunden werden muss.


Wie können Frauen motiviert werden, früher Kinder zu bekommen - was ja auch angesichts der Geburtenrate wünschenswert wäre?

Sauter: Die Gesellschaft lässt Mütter absolut im Stich. Die Berufstätigkeit ist bei uns ausgerichtet auf die mobile, flexible Frau. Zum anderen war und ist die Familienpolitik sowohl der ehemaligen CDU-geführten als auch der jetzigen rot-grünen Bundesregierung absolut falsch. Frauen müssen mitarbeiten, wenn eine Familie mit zwei Kindern nicht jedes Jahr überlegen will, ob sie sich einen Urlaub leisten kann. Da müsste sich sehr viel ändern.

Wie könnten solche Verbesserungen aussehen?

Sauter: Ich bin der festen Überzeugung, dass man eine Infrastruktur schaffen muss, in der es wesentlich einfacher ist, Kinder zu haben. Wir brauchen Verhältnisse wie in Frankreich, in denen es richtig attraktiv ist, Nachwuchs in die Welt zu setzen. Ich fände es gut, wenn man ohne Kinder kein Haus mehr bauen und sich kein zweites Auto mehr leisten könnte.

Mit Rudolf Sauter sprach TV-Redakteurin Inge Kreutz.

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